Die Scheune (German Edition)
beieinander, dass es ihr unheimlich wurde. Konnte sie jetzt schon von fremd reden, wo sie ihn doch noch gar nicht kannte?
Dane konnte die Fassade nicht lange aufrecht erhalten. Sie bröckelte mit jedem unvermeidlichen Blick zu ihr mehr und mehr ab.
„Ich heiße Sarah“, sagte sie plötzlich. Er saß ihr gegenüber, wieder einmal und sah sie stumm an. Hatte sie ihren Namen nicht schon am Tag seiner Ankunft gesagt?
„Sie reden nicht, – nicht wahr?“, fragte sie unsicher. Dane sah zum Fenster hinaus und nickte. Er hasste sich dafür.
„Macht nichts“, fing Sarah seine stumme Antwort auf. „Darf ich Sie mit du ansprechen?“ Sie lächelte. Er sah zu ihr hinüber und nickte erneut.
„Nein, ich werde Sie Nick nennen, weil Sie immer so viel nicken.“ Sie konnte nicht anders und lachte aus vollem Hals über ihren eigenen Witz. Dane saß da und sah sie nur an. Dann musste er zum ersten Mal lachen. Er verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen.
*
Sarah begann ihn zu verzaubern. Sie war der erste Mensch, der ihn ganz tief erreichte und seinen Abstieg in das Loch zu verhindern schaffte. Doch das ahnte sie nicht. Sie begann seine Dunkelheit auf eine bezaubernde Art mit Licht zu ersetzen.
Das verwirrte Dane zunächst, weil er dieses Gefühl seit seiner frühesten Kindheit nicht mehr kannte. Damals war es seine Mutter gewesen, die ihn mit Liebe und Wärme versorgt hatte. Aber das war nur eine kurze Zeit gewesen. Nun, nach über fünfunddreißig Jahren begegnete ihm dieses Gefühl plötzlich wieder. Und es war so wunderbar. Wo er doch immer dachte, dass die Dunkelheit wunderbar sei.
Er lag auf dem Bett und überlegte, ob er den Lochschaufler einfach in Ruhe lassen sollte.
Du bist ein Narr!, schrie ihn das Loch an. Wann begreifst du endlich, dass du einen großen Fehler begehst?
Dane ging zum Fenster und sah hinaus.
Wann darf ich wieder sprechen?, fragte er.
Wenn du zu dir gekommen bist. Bleib bei der Sache. Du zettelst gerade ein Unheil an.
Weil ich mich mit dieser Frau treffe?
Weil du die Gefahr nicht erkennst. Du sollst endlich einen Plan schmieden, nicht Liebesgott spielen.
Dane setzte sich aufs Bett.
Vielleicht gehört Sarah zum Spiel dazu.
Du Narr!, rief das Loch. Es ist dein Spiel, nicht Sarahs. Du hast noch nie einen Partner an deiner Seite gehabt. Du bist ein Einzelgänger. Wann begreifst du das endlich? Wenn du nichts unternimmst wird er dich töten.
Vielleicht gibt Sarah mir die Kraft, die ich brauche, um diesen letzten Kampf durchzustehen, sagte Dane.
Sie wird dir alle Kraft rauben. Sie wird dir deine Konzentration rauben. Sie macht dich schwach und unaufmerksam. Er wird dich am Ende töten. Wegen ihr.
Wie soll er mich töten, wenn er nicht weg kann, von dort, wo er jetzt ist. Warum soll ich hier weiter auf ihn warten?
Weil er einen Weg finden wird, um zu dir zu kommen. Sei auf der Hut!
Woher willst du das wissen?
Ich weiß alles!
Dane war wütend und verspürte das dringende Bedürfnis sich zu duschen. Er fühlte sich dreckig und unsortiert. Nahezu eine Stunde verbrachte er unter der Dusche, die mit heißem Wasser so lange auf ihn niederprasselte, bis sich sein Körper rot vor Hitze färbte und brannte. Erst dann fühlte er sich besser. Auf seinem Bett besah er sich die Narben der Operation. Er betastete jede einzelne mit seinen Fingern, als sollte sie ihn an etwas erinnern, woran er nicht denken wollte. Er ließ sich nach hinten auf sein Bett fallen und schloss die Augen. Starke Unruhe überkam ihn. Gequälte Gesichter starrten ihn von allen Seiten an. Der Tagtraum wurde zur Qual. Er öffnete die Augen und fluchte. Die Gesichter schrien nun. Blut floss aus ihren Mündern. So stark, dass Dane aus dem Bett sprang und ins Bad flüchtete. Dort verschwanden die Gesichter und auch das Geschrei. Sein Blick traf den Spiegel. Er starrte sich an, als sei ihm das Gesicht vollkommen fremd. Er öffnete den Mund und versuchte zu sprechen. Nicht ein einziges Wort kam aus seinem Mund. Er umklammerte seine Kehle, drückte zu, würgte, um anschließend die Stirn verloren gegen den Spiegel fallen zu lassen. Aus seinem Mund kam nichts heraus. Nicht ein Ton! Er war stumm. Er war tatsächlich stumm!
Damit wurde ihm unmissverständlich klar, wie stark ihn das Loch bereits beherrschte. Er bekam Angst, doch das Loch lachte nur.
Die Kamera zeichnete alles auf.
*
Drei Tage waren bereits vergangen, und Dane nahm weder an einer Therapie noch an einem Angebot der Klinik
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