Die Scheune (German Edition)
der ihm freundlich begegnete, der ihm überhaupt begegnete. Der Lochschaufler konnte seine Späher überall haben. So erschien es ihm plötzlich merkwürdig, über viele Wochen im Krankenhaus ungestört gelegen zu haben.
War das nicht die Chance für den Lochschaufler gewesen?
Warum hatte ich im Krankenhaus Ruhe?, fragte Dane.
Weil er dachte, dass du tot bist, antwortete das Loch.
Aber die Presse hat der Öffentlichkeit doch das Gegenteil berichtet.
Du weißt, dass er zur Zeit nicht selber kommen kann. Das hast du selbst zu spüren bekommen. Und es ist schwer für ihn, immer neue Handlanger zu finden, von da, wo er jetzt ist.
Wird er neue finden?, fragte Dane. Die dann hier auftauchen?
Er wird, antwortete das Loch. Schneller als du denkst. Also sei auf der Hut.
Erst gegen Abend fand Dane den Weg zurück zur Klinik. Verloren im Zwiegespräch mit seinem zweiten Ich zog der Tag an ihm vorüber. Er fühlte sich in einem Strudel von Gefühlen gefangen und versuchte seine Gedanken zu sortieren.
*
Sarahs Gedanken spielten ebenfalls verrückt. Was sie gestern als Depression mit in die Nacht genommen hatte, zeigte sich heute als Triumph. Auch wenn sie ihn den ganzen Tag über nicht mehr gesehen hatte, so spürte sie, dass etwas in ihr geschah. Was war es, dass sie so kompromisslos von ihm annahm, obwohl sie noch nicht dazu bereit war. Es war nicht sein Gesicht. Es waren seine Augen, die dunkelbraun und klar leuchteten. Sie wollte das Alltägliche dieser Klinik darin erkennen, aber sie konnte es nicht finden. Seine Augen trugen die Art von Geschichten mit sich herum, die hier keinen Platz hatten. Geschichten einer verlorenen Herzlichkeit, der Aggression und der Unruhe, wo in dieser Klinik doch Enttäuschung und Depression vorherrschten. Sie erkannte weder einen Patienten noch einen gesunden Menschen in ihm. Es war irgend etwas dazwischen – etwas Geheimnisvolles.
Ihre Sinne begannen zu entgleisen, und sie verspürte jenes Bauchgefühl in sich, von dem sie glaubte, es nur ein einziges Mal in ihrem Leben in ihrer ersten Jugendliebe gefunden zu haben. Es hatte sie sanft und weich in die Welt des Erwachsenenwerdens getragen; bis sie wach wurde und in einer Ehe voller Sackgassen gelandet war. Die Ehe war schnell zu Grunde gegangen, bis sie nach vierzehn Jahren vor lauter Leid und Schmerzen keine Hoffnung mehr fand.
Das fand sie heute wieder –, mit dieser seltsamen Begegnung dieses neuen Patienten, dessen Namen sie noch nicht einmal kannte.
Dane lag mit offen Augen im Bett und dachte immer wieder an diese Sarah. Er versuchte, sich gegen das Gefühl, etwas für sie zu empfinden, zu wehren, aber es war so stark, dass er den Kampf dagegen verlor. Selbst als er sich eindringlich ermahnte, auf der Hut zu sein. Aber auch das stieß sie nicht aus seinen Gefühlen. Es war, als hätte sie ihm ein Rettungsseil zugeworfen, an dem er sich festhalten konnte.
Er schlief ein und träumte von dem Licht, was sich am Ende des Tunnels zeigte. Das Loch war nicht endlos.
Seine Nacht war unruhig.
*
Am nächsten Morgen beschloss er, diese Frau wieder loszuwerden. Es war das beste. Es würde die Dinge sonst zu kompliziert machen. Seine Konzentration würde zu sehr leiden, und es würden bittere Konsequenzen zum tragen kommen. Er konnte sich einfach nicht zwei Welten gleichzeitig stellen und musste eine Entscheidung treffen.
Sein Loch triumphierte, hatte es doch genug in dieser Nacht auf ihn eingewirkt.
Dane schlenderte gelangweilt durch das Klinikgelände und traf nirgends auf Sarah. Sie war weder im Außengelände noch im Speisesaal. Er war erfreut und enttäuscht zugleich. Hatte er ihre Absichten fehlgedeutet? Vielleicht war sie jedem neuen Gast freundlich gegenüber. Vielleicht war es ihre Art, sich immer neue Gesellschaft zu suchen. Dann sollte es so sein. Dann hatte es sich für ihn erledigt.
Am Abend traf er sie doch unverhofft in der Eingangshalle. Sein Adrenalinspiegel stieg sofort an. Er hielt seinen Blick reserviert und versuchte ihr desinteressiert zu begegnen. Als sie vor ihm stand und ihn fragte, ob er gemeinsam mit ihr das Abendesssen zu sich nehmen wolle, ließ er sich widerwillig überreden. Er sah sie dabei nicht einmal an. Nur ein leichtes Nicken diente ihr zur Antwort.
Sarah verstand schnell und war irritiert. Dieser Mann, der ihr gestern noch so vertraut war, wirkte plötzlich in sich zurückgezogen und ganz anders, ja, fast anmaßend. Er trug Fremdes und Bekanntes so nahe
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