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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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Distanz abgewichen.
    Es klopfte erneut an der Tür.
    „Ja“, sagte Dr. Roosevelt.
    Ich trat ein, übermüdet und hatte irgendwie den Kamm nicht gefunden. Es kleideten mich eine entsetzlich bunte Sommershorts und ein noch entsetzlicheres T-Shirt, so dass ich nicht gerade das Abbild eines Arztes darstellte. Ich erinnere mich deshalb so genau daran, weil ich unter diesen peinlichen Umständen Sarah kennenlernte, mitunter die wichtigste Person in dieser Geschichte.
    „T'schuldigung“, sagte ich schnell, als ich Sarah sah und wollte die Türe wieder schließen.
    „Nein, Dr. Clark!“, rief mir Roosevelt eilig hinterher. „Kommen Sie herein! Das ist Sarah“, und er wies mit der Hand zu ihr. „Sarah, das ist Dr. Clark.“
    „Jim“, verbesserte ich räuspernd, beschämt, weil ich so entsetzlich aussah und reichte ihr die Hand. Ich war entzückt, sie sah wirklich nett aus. Ihr Händedruck war herzlich.
    „Wie geht es Dane?“, fragte sie mich direkt.
    Ich bemerkte ihre Ungeduld und sah hilfesuchend zu Roosevelt, entschied mich dann für: „Gut. Prima. Er schläft.“ Weiter wollte ich auf die Frage nicht eingehen.
    Als sie meine Zurückhaltung bemerkte, sagte sie traurig: „Grüßen Sie ihn von mir.“ Mit einem Wink verließ sie das Zimmer. Ich sah ihr mitfühlend nach.
    „Wie sieht's aus?“, fragte Roosevelt, als wir alleine waren.
    „Er schläft noch“, antwortete ich kurz. Ich war gedanklich noch bei Sarah. Sie tat mir leid. Ich wandte mich wieder Roosevelt zu: „Den Rest der Nacht war er ruhig. Kein Wunder bei der Beruhigungsspritze. Wie lange wird sie ungefähr wirken?“
    „Ich schätze bis heute Nachmittag. Wollen Sie ein Frühstück?“
    „Gerne“, sagte ich. „Bitte lassen Sie für Mr. Galloway auch etwas herrichten. Vielleicht Obst.“
    „Ist in Ordnung“, sagte Roosevelt. „Gehen Sie nur in den Essraum. Ich werde in der Küche Bescheid sagen.“
    Ich dankte und dachte an den Namen Galloway, dass er jetzt nicht mehr zutraf.
     
    Nach einem ausgiebigen Frühstück – ich wusste nicht mehr, wann ich das letzte Mal so großartig gefrühstückt hatte – ging ich mit dem Tablett für Dane wieder hinauf in den dritten Stock. Unten herrschte inzwischen das typische Treiben vor Beginn einer Therapiestunde. Die Menschen sammelten sich diskutierend im Gruppenraum. Im Gegensatz zu unten überfiel mich oben eine beklemmende Stille. Ich atmete tief durch. Was mochte mich heute erwarten? Wie würde mir Dane begegnen?
    In Gedanken versunken nahm ich das Tablett in die linke Hand, um mit der rechten die Zimmertür zu öffnen, als sie jemand von innen aufzog, ja, regelrecht aufriss. Als wenn jemand eilig einen Tatort verlassen wollte. Doch es war nur Rhyan, der Pfleger. Wir zuckten beide zusammen.
    „Oh, Entschuldigung, Dr. Clark. Ich wollte nur nach dem Rechten sehen. Ich habe Ihnen ein Radio gebracht. Vielleicht hilft es Ihnen etwas über die Langeweile hinweg. Und zwei Schokoriegel liegen auf dem Tisch. Gut für die Nerven.“ Er tippte sich dabei an die Schläfe.
    Ich mochte ihn einfach. Er wurde mir mit jeder Begegnung sympathischer. „Super“, sagte ich und wünschte mir so ein Personal auch in L.A.
    „Wenn Sie hier nicht mehr arbeiten wollen, kommen Sie doch zu mir nach L.A. Leute wie Sie suchen wir immer“, sagte ich ihm gutgelaunt. Rhyan lächelte, winkte kurz und ging zum Aufzug.
    Im Zimmer war es ruhig. Das Radio stand auf dem Tisch vor dem Fenster und war bereits eingesteckt. Daneben lagen die Schokoriegel. Ich stellte lächelnd das Tablett dazu. Dann sah ich mir Dane an. Er schlief noch, atmete ruhig und entspannt. Von dem nächtlichen Dilemma war nichts mehr zu sehen, nur der säuerliche Geruch lag noch in der Luft. Die Fenster waren geöffnet, und durch die zugezogenen Gardinen wehte ein leichter Wind. Ich beschloss, die Zeit zu nutzen und an meinen Aufzeichnungen zu arbeiten, nahm meinen Block und las, was ich heute Nacht geschrieben hatte. Daraus ließ sich zwar eine hypothetische Geschichte lesen, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass der Traum mehr verbarg, als ich annahm. Ich dachte an die verschiedenen Stimmen und an seinen neuen Namen: Gelton. Wie fremd das für mich klang. Irgendwie passte der Name zu der Person, die jetzt ein Zimmer mit mir teilte. War da nicht die Adresse auf seinem Ausweis?
    Ich kramte in meinen Papieren, fand ihn aber nicht. Ich schaute und wühlte in sämtlichen Unterlagen, Schubladen, im Schrank und zwischen der Wäsche, aber der Ausweis blieb

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