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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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rührten. Dane hatte einen alten Holzschrank aus der Scheune auf den Hof gezerrt und schlug nun mit einer riesigen Axt auf ihn ein. Schweiß rann ihm über das Gesicht. Regelmäßig und wütend ließ er immer wieder die Axt niedersausen. Er schrie dabei Worte heraus, die Sarah nicht verstand. Sie war zunächst fassungslos und dachte an den Anfall, den Dane in der Klinik gehabt hatte. Und dann hatte sie Mitleid mit ihm. Wer verstand nicht die Wut, die er gegen diese Scheune haben musste?
    Sarah wendete sich vom Fenster ab und ging die Treppe wieder hinunter. Sie fühlte sich zum ersten Mal, seit Dane mit ihr zusammen war, einsam. Bisher hatte er ihr immer nur seine Fröhlichkeit und sein Temperament geschenkt, die Dinge, die sie in ihrer ersten Ehe nicht erfahren hatte und die sie so dringend gebrauchen konnte. Jetzt war das alles weg. Sie war doch noch nicht so weit wie sie gedacht hatte. Es schmerzte sie, und sie wusste nicht, ob sie schon mit den Dingen umgehen konnte, die Dane ihr zu zeigen begann.
     
    Unerwartet hatte ihn der Drang eingeholt, hier und jetzt mit etwas zu beginnen, mit dem er noch nicht fertig war. Dr. Roosevelt würde sagen, es handele sich um eine aktive Vergangenheitsbewältigung. Über viele Stunden raste Dane mit der Axt herum. Der Schweiß drang durch sein Hemd. Er hatte zum Schluss nicht nur einen Schrank zerschlagen; er hatte fast alles zerschlagen, was er irgendwie in der Scheune finden konnte. Damit glaubte er, seinen Qualen, die er in dieser Scheune erlitten hatte, gerecht geworden zu sein. Vorerst.
    Sarah wollte seiner Wut nicht zusehen. Es regte sie zu sehr auf. Sie hasste Gewalt und noch mehr die Gedanken, die dahinterstanden. Aber sie konnte es auch ein bisschen verstehen. Sie musste ihm eine Chance geben und sie musste die Notwendigkeit erkennen, mit der er dies alles tat. Alles, was er meinte zu tun, würde sie lernen zu respektieren, bis er damit fertig war. Dann war er auch fertig für sie und bereit für eine Beziehung. Sie schöpfte neuen Mut und lenkte sich ab, indem sie begann, die Küche von den Spinnweben zu befreien und zu reinigen.
     
    Gegen Mitternacht hatte sich Danes Kraft erschöpft. Er ließ sich in das gefrorene Gras neben der Scheune fallen. Ein eisiger Novemberwind wehte über die Felder.
    Dane sah in den dunklen Himmel. Sein Atem ging schwer ein und aus und blies dichte Wolken in die Nachtluft. Ihm fiel Sarah ein. Gott, Sarah, ja. Wo war sie? Was war geschehen? Wie lange hatte er hier wie ein Wilder gewütet? Angst überkam ihn und er schrie sie mit einem Panikschrei aus sich heraus.
     
    Sarah hatte aufgeräumt und sauber gemacht. Dann war sie am Tisch sitzend zusammengesackt und eingeschlafen.
    Irgendwann in der Nacht hatte die Farm ein fürchterlicher Schrei erschüttert. Sie schrak verwirrt hoch, dann sackte sie wieder zusammen und schlief weiter. Sie musste sich wohl noch an vieles gewöhnen – auch daran, dass sie heute nicht mehr wegkam.
    Dane stürzte verschwitzt und dreckig in die ungeheizte Küche. Ein alter Kerzenstumpf gab ein schimmerndes Licht. Er sah, wie Sarah ihren Kopf in ihre Arme gebettet auf dem Tisch liegend, schlief. Das beruhigte ihn sofort, und er ließ sich auf einen Stuhl neben sie nieder. Als er ihr Haar streichelte, sah sie kurz hoch. Er nahm sie liebevoll in den Arm und führte sie nach oben in das Schlafzimmer seiner Eltern, während draußen ein eisiger Wind pfiff.
    Das Zimmer stank widerlich.
     
    *
     
    Der nächste Morgen kam. Der Frost war während der Nacht stärker geworden. Er kroch durch die Ritzen des Hauses und bemalte die Fenster mit Eisblumen.
    Das Geräusch eines herannahenden Wagens ließ Dane gegen acht Uhr erschrocken hochfahren. Seine Kleidung war zerknittert, die Haare zerwühlt, und dunkle Ränder unter den Augen spiegelten seine Erschöpfung wider. Der gestrige Tag war vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Wie konnte das nur passieren? Verdammt, wo war er?
    Dieses Zimmer war ihm fremd. Er durfte es als Kind nie betreten und hatte es auch später nicht getan. Dann erinnerte er sich an Sarah und sah zu ihr hinüber. Sie blinzelte – und lächelte. Das Zimmer stank. Die Bettdecke sah widerlich aus.
    Dane hörte den Wagen unmittelbar vor seinem Haus stoppen, dann ein zweimaliges Zuschlagen von Autotüren. Er sprang aus dem Bett und lief zum Flurfenster, um auf den Hof hinunterzublicken. Der Frost hatte sich in der Nacht über den Hof ausgebreitet und die zerschlagenen Holzbretter benetzt. Es sah fürchterlich aus.

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