Die Scheune (German Edition)
Zeit, den alten Gemäuern der Heddon-Farm neuen Pfiff zu verleihen.
*
Das nächtliche Gespräch mit seinem Vater ließ Dane in der darauffolgenden Nacht keine Ruhe. Was er jäh mit Aggressionen unterbrochen hatte, machte ihn nun neugierig. Was wollte und konnte sein Vater ihm schon sagen?
Es war weit nach Mitternacht, als er sich leise zur Scheune schlich. Der Eintritt war nicht mehr so schauderhaft wie am ersten Tag, und doch war es unheimlich. Er entzündete wieder die Petroleumlampe und sah sich in der leeren Scheune um. Es begann, ihn zu frieren. Er wartete. Es tat sich nichts. Nirgends bildete sich ein Nebel, und nur die üblichen Geräusche der Nacht umgaben ihn.
Er entschied schließlich, dieser wahnwitzigen Idee ein Ende zu setzen. Es erschien ihm plötzlich albern, hier auf etwas zu warten, was gar nicht existieren konnte. Er spuckte verachtend auf den Boden und bewegte steif seine unterkühlten Glieder. Genau in diesem Augenblick raunte etwas durch die Luft. Es war wie ein Windzug. Dane sah sich erschrocken um. Da war der Nebel wieder, direkt vor der Scheunentür. Eine große Gestalt entglitt dem Nebel und baute sich deutlich vor ihm auf. Dane wagte es kaum zu atmen. Er betrachtete das Gesicht seines Vaters und stellte erstaunt fest, dass es weder jung noch alt war; es war zeitlos geworden. Dane spürte, wie sich seine Muskeln spannten und er von dem Blick zu seinem Vater nicht ablassen konnte.
Sein Vater schien jetzt starr zu sein. Wie eine unbewegliche Schaufensterpuppe verharrte er vor ihm. Dane wurde es unheimlich.
„Was hast du mir zu sagen?“, fragte er leise. Kaum dass seine Stimme erklang, begann das Wahnbild zu leben. Die Augenlider seines Vaters bewegten sich zaghaft auf und nieder, und auch seine Arme zeigten kleine Anzeichen von Bewegungen.
Dane spürte, wie seine Knie weich wurden. Ihn holten Angst und Aufregung zugleich ein. Wie um Himmels Willen konnte das nur möglich sein? Hatte ihn der Wahnsinn gepackt?
Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und ging zitternd auf die Knie. Sein Körper klappte wie ein Klappmesser zusammen, sein Gesicht berührte den Boden. Er heulte. Und heulte.
Sein Vater stand vor ihm und sah auf ihn nieder. Da lag sein Sohn, direkt vor seinen Füßen, wie ein verlorenes Bündel Mensch. Er wusste, dass es nur die innere Zerrissenheit war, die ihn in diese Stellung zwang. Sein Sohn war weder durchgedreht noch geisteskrank. Er war nur am Ende seiner Kraft. Da musste er hinkommen, um wieder neu zu beginnen.
Sarah sah ihn vom Flurfenster aus wieder in dieser Scheune verschwinden. Wie konnte sie ihn aufhalten? Seine Schritte waren so entschlossen, als er auf dieses Ding zuging. Sie hatte Angst, ihn erneut anzusprechen, weil sich seine Gewalt dann auch gegen sie richten könnte.
Doch sie konnte nicht anders und folgte ihm wieder heimlich. Sie schlich über den Hof zu dem kleinen Fenster an der rechten Seite und schaute vorsichtig hinein. Dane kniete zusammengesackt in der Mitte der Scheune und weinte. Dann sah sie, wie er sich wieder aufrichtete und mit jemandem zu reden begann. Er veränderte seine Stimme dabei und gestikulierte mit seinen Händen in der Luft herum. Sie horchte angestrengt und versuchte, seine Worte zu verstehen.
„Ich habe nicht gelernt, mit allem so intelligent umzugehen wie du“, sagte Will Gelton und sah seinem Sohn direkt in die Augen. Eine Geste, die ihnen früher gänzlich fremd war. Dane kniete vor ihm und sah schweigend zu ihm hoch.
Sein Vater sprach weiter: „Ich habe Ziele und Wünsche gehabt, wie jeder andere Mensch auch, aber ich konnte sie einfach nicht erreichen. Und das hat mich wütend gemacht. So wütend, dass ich nicht anders konnte und es an euch ausließ.“
Mit wem sprach Dane überhaupt? Wer in Gottes Namen hat seine Wut anders ausgelebt? Sprach er von sich selbst? Sprach er mit seinem Vater? Wollte er auf diesem Wege Frieden mit seinem Vater schließen?
Sarah war zutiefst beunruhigt. Das war keine aktive Vergangenheitsbewältigung mehr, das grenzte an eine Form von Wahnsinn oder Geisteswahn.
„Ich wollte es für euch zu Wohlstand und Glück bringen, aber das verdammte Land warf keinen müden Heller über unseren Verbrauch hinaus ab.“
„Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“, fragte Dane ganz ruhig.
„Du meinst, dass unser Glück nicht vom Wohlstand abhängen musste?“
„Zum Beispiel.“
„Ich dachte nicht so. Ich glaubte immer, Ihr würdet nur glücklich sein, wenn
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