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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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Dane.
     
    Bisher war er der Scheune immer aus dem Weg gegangen – war es Angst? Er wusste es nicht. Die Langeweile aber trieb ihn schließlich zu der Entscheidung, sich endlich darum zu kümmern. Und eines Tages, es war Ende Januar, sah Sarah ihn am späten Nachmittag darin verschwinden. Damit wusste sie, dass sich bald wieder eine große Veränderung zeigen würde. Sie bekam wieder diese Angst und dachte an ihre Wohnung in Aurora, die ihre Mutter gerade dem neuen Untermieter übergab.
    Danes Lachen war seit gestern fast ganz verschwunden. Das hatte sie schon aufmerksam gemacht.
    Er betrat die Scheune. Sie fraß ihn beim Eintritt regelrecht auf. Wie das Maul eines riesigen Wals schlang sie Dane in sich hinein.
    Er hatte sie größer in Erinnerung. Zwei kleine Fenster links und rechts ließen ein spärliches Licht hinein. Eine alte Petroleumlampe, die Dane entzündete, hellte einen kleinen Radius zusätzlich auf.
    Es roch immer noch nach der damaligen Schweinezucht. Deutlich zeichneten sich die Umrisse des Stalls ab.
    Ganz unverhofft knackte es plötzlich! Das Geräusch war von hinten gekommen. Dane fuhr erschrocken herum und sah zur Tür. War Sarah ihm gefolgt? Nein, die Scheunentür war zu.
    Irritiert ging Dane tiefer in die Scheune hinein – bis zur Mitte. Er schloss die Augen und wartete auf das, was dieser Ort ihm mitzuteilen hatte. Unzählige Qualen hatte diese Scheune miterlebt, Schreie der Verzweiflung widerhallen lassen und niemals eine Rache dafür zu spüren bekommen. Das sollte sich hier und heute ändern.
    Danes Atem wurde schwer. Die Luft erschien ihm zäh und stickig. Er roch wieder die Schweine und hörte, wie sie quiekten. Er spürte die Prügel, die er neben seinem Missbrauch ertragen musste. Sein Körper war ständig geschunden, voller Blessuren und Hämatome.
    Eisige Kälte fraß sich in seine Hände und Füße. Er spürte den innerlichen Hass aufkommen. Auf leisen Sohlen schlich er sich in seine Gefühle.
    Wieder knackte es! Wieder hinter ihm! Das gleiche Geräusch. Wieder fuhr Dane erschrocken herum. Nichts! Hatte er Halluzinationen oder war es nur der Wind? Wollte dieser Ort ihm nun den Rest seines gesunden Menschenverstandes rauben oder war es nur der Wind?
     
    Wenn einer aus Hass getötet wird, kehrt er zurück, flüsterte das Loch.
     
    Weit entfernt hörte er wimmernde Kinderstimmen – oder war es nur der Wind? Die Stimmen waren zu weit weg, um sie zu verstehen. Wie ein gequältes Geheul geisterten sie durch die Scheune.
    Sein Blick schweifte umher, als wollte er die Stimmen damit einfangen. Sie veränderten sich schließlich zu einem Geheul des Windes. Scharf pfiff er durch die Ritzen in das Innere der Scheune, dass es Dane schauderte. Das Holz knarrte mit schaurigem Gesang, der sich mit den Erinnerungen aus seiner Kindheit mischte.
    „Zehn Minuten halte ich noch aus, dann renn' ich raus“, sagte er leise zu sich, schloss die Augen und begann, wie früher als Kind, die Sekunden zu zählen. Dann wieder das Geräusch! Dane riss die Augen auf! Nichts. Er musste noch einmal von vorne mit dem Zählen beginnen. Dann war das Geräusch so unmittelbar hinter ihm, dass es schon keine Täuschung mehr sein konnte.
    Er spürte etwas um sich herum und konnte nicht mehr weiterzählen. Was würde er sehen, wenn er sich jetzt umdrehte?
    Er drehte sich um – ganz langsam. Es sah einen Nebel, ein Nichts und doch war da ein Schatten mittendrin. Als der Nebel sich legte, bekam der Schatten eine Kontur. Es wurde die Gestalt eines Mannes sichtbar, groß und breitbeinig stand er vor ihm. Ein riesiges Wahnbild.
    Er konnte es nicht sein! Er war tot! Es war nur eine Täuschung des Nebels! Nichts weiter. Dane versuchte, ein verächtliches Grinsen über die Lippen zu bringen, aber sein Mut verließ ihn, bevor das Grinsen kommen konnte.
    „Ich schließe jetzt die Augen, und wenn ich sie wieder öffne, ist alles weg“, flüsterte er sich zu. Er tauchte in seinen Kindesverstand hinein und kniff verkrampft die Augen zusammen. „Ich mache sie nicht mehr auf. Ich mache sie einfach nicht mehr auf. Ich gehe jetzt mit geschlossenen Augen hinaus und mache sie erst draußen wieder auf.“
    Gott, er war wieder ein Kind! Er erinnerte sich, dieses Spiel als Sechsjähriger häufig gespielt zu haben. Besonders dann, wenn seine Mutter ihn hier hineingeschickt hatte, um Gemüse zu holen.
    Er begann zu blinzeln, also doch ein bisschen mutiger als ein Kind. Sein Vater stand immer noch da und starrte ihn stumm an. Dane kniff die

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