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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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wie Timonides und seine Kumpane sich über die mit dunklem Blut in den Knochen geritzten Zeichen beugten und gespannt abwarteten, etwas über Timonides’ Zukunft zu erfahren. Der Wahrsager legte die Stirn in Falten, schüttelte den Kopf, lehnte sich dann zurück und ließ durch den Dolmetscher ausrichten: »Hüte dich vor der Raupe des Maulbeerbaums.«
    Timonides wollte unbedingt mehr erfahren. Als nichts kam, meinte er: »Ist das alles? Hüte dich vor der Raupe des Maulbeerbaums? Beim Zeus, was hat das zu bedeuten?« In der Annahme, der Dolmetscher hätte falsch übersetzt, ließ er den Wahrsager seine Aussage wiederholen. Sie durchlief drei Übersetzer, ehe sie Timonides unverändert wiederholt wurde.
    Auf dem langen Weg, auf dem sie auch durch Regionen mit völlig unbekannten Dialekten gekommen waren, war Sebastianus klar geworden, dass er, schon weil er keinesfalls jemanden auftreiben würde, der sowohl Chinesisch wie auch Lateinisch sprach, ein eigenes System der Verständigung entwickeln musste. Deshalb hatte er unterwegs zwei Übersetzer angeheuert, die abenteuerlustig genug waren, um mitzukommen und als Mittelsmänner bei der Kommunikation zu fungieren: Der erste sprach Lateinisch und Persisch, der zweite lediglich Persisch und Kashmiri. Seit einer Woche war ein dritter hinzugekommen, der Kashmiri und Chinesisch sprach. Eine lange Dialogabfolge zweifelsohne, außerdem eine, bei der es immer zu Fehlern kommen konnte. Aber solange Sebastianus die chinesische Sprache nicht beherrschte, musste er sich notgedrungen auf diese Mittelsmänner verlassen.
    Der Wahrsager hob sein verwittertes Gesicht zu Timonides empor und sagte: »Dein Leben wird mit der Raupe des Maulbeerbaums enden.«
    Der alte Astrologe schaute derart skeptisch, dass Sebastianus schmunzeln musste. Trotz seines unverbrüchlichen Glaubens an die Sterne und ihre unfehlbaren Vorhersagen besaß Timonides wie alle anderen auch durchaus eine Schwäche für Hellseher und deren Weissagungen.
    Sebastianus wandte sich wieder seinem Kartenstudium zu. Als er nach seinem mit verdünntem Wein gefüllten Becher griff, schwirrte ein eigenartiges Pfeifen durch die Nachtluft. Gleich darauf rauschte etwas an seinem Kopf vorbei. Er blickte auf und sah gerade noch rechtzeitig den zweiten und dritten Pfeil ins Lager fliegen. Einer von Timonides’ Kumpanen schrie auf und griff sich an den Arm.
    Von einem Moment zum anderen ging eine Regen von Pfeilen auf das Lager nieder. Frauen und Kinder hasteten in die Zelte, Männer griffen nach Schwertern und Dolchen, gingen hinter Gesteinsbrocken und Gebüschen in Deckung, versuchten zu orten, woher der Angriff kam.
    Unmenschliche Schreie durchdrangen die Nacht, als dunkle Gestalten wie aus dem Nichts auftauchten, die Berghänge hinuntersprangen, aus Hohlwegen hervorbrachen: große und furchterregende Männer, die blitzende Schwerter und Äxte schwangen. Unglaublich schnell und mit markerschütterndem Gebrüll fielen sie in dem Lager ein, schlugen mit ihren Waffen auf alles ein, was ihnen in den Weg kam.
    Mit gezücktem Schwert eilte Sebastianus auf sie zu. Hinter ihm warfen Primo und seine durchtrainierten Mannen die Mäntel, die ihnen das Aussehen jovialer Kaufleute verliehen, von sich, um mit Knüppeln und Speeren gegen die Eindringlinge vorzugehen. Sie waren nicht länger die fröhlichen Zecher, als die sie sich kurz zuvor noch gegeben hatten; kein Tropfen Wein war über ihre Lippen gekommen, denn das gehörte zu ihrer Kriegslist. Jetzt merkten die Angreifer, worum es sich bei den »Kaufleuten« in Wirklichkeit handelte – um geschulte Kämpfer im Kriegsgewand der Römer, die sich zur Überraschung der Angreifer rasch zu behaupten wussten.
    Fast so schnell wie sie gekommen waren, zogen sich die Banditen zurück, nicht anders als viele vor ihnen auf dem Weg der Karawane nach Osten. Immer handelte es sich um gesetzlose Bergbewohner, die beim Anblick der behäbig anmutenden Teilnehmer an einer mit Reichtümern beladenen Karawane leichte Beute gewittert hatten. Jetzt aber, da sie feststellen mussten, dass sie gegen diese Fremden, die ihnen zahlenmäßig und an Kampfstärke überlegen waren, keine Chance hatten, gaben sie Fersengeld. Primo und seine Mannen brachen in ein Freudengeheul aus, einmal mehr eine Räuberbande aus dem Lager vertrieben zu haben.
    Ein seltsames Geräusch hallte durch die Nacht. Sebastianus runzelte die Stirn. Als es abermals ertönte und eindeutig als Gongschläge auszumachen war, rief er seinen Männern

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