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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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aufbringen können. Kranken fehlte das Geld, um sich ärztlich behandeln zu lassen. Auf den Straßen herrschten Diebesbanden. Angst breitete sich aus. Man gab den Göttern und der Regierung die Schuld für die Missstände. Selbst in Rom, so war Sebastianus zu Ohren gekommen, waren Senatoren korrupt geworden und Beamte bestechlich. Die kaiserliche Staatskasse war leer. Nero, in den man so große Erwartungen gesetzt hatte, hatte sein Volk enttäuscht. Es hieß, er habe riesige Bauvorhaben auf den Weg gebracht, indem er um Rom herum gigantische Gebäude und Anlagen von überdimensionalen Ausmaßen errichten lasse, um dem Volk Wohlstand vorzugaukeln.
    Hier, in dieser zwischen zwei Flüssen gelegenen Stadt, wussten die Priester Marduks, dass die Menschen, sobald sich Unzufriedenheit breitmachte und die Götter als machtlos angesehen wurden, ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen, sprich dass Geld, das sonst den Priestern zugutekam, jetzt in den Händen von Wahrsagern und Hellsehern landete. Deshalb wurde jeder, den man verdächtigte, Bürger und deren Geld von den Tempeln wegzulocken, festgenommen und verhört. Manch einer wurde wegen frevlerischen Treibens und Gotteslästerung verurteilt und hingerichtet. Sogar hier am Wasser trieb einem der ständig wechselnde Wind den Gestank von verwesendem Fleisch zu. Auch wenn Sebastianus die an den Mauern Babylons aufgeknüpften Leichen nicht sehen konnte, wusste er, dass sie dort hingen.
    »Alles mal herhören! Alles mal herhören!«
    Laut rufend stieg ein Stadtschreier auf einen Gesteinsquader, um sich über die Köpfe der Menge zu erheben. Mit durchdringender Stimme hob er dann an: »Hiermit wird allen Neuankömmlingen, Besuchern, Kaufleuten und Durchreisenden kundgetan, dass es folgenden Personen untersagt ist, sich frei in der Stadt zu bewegen, wenn sie sich nicht vorher bei der Königlichen Wache am Tempel des Marduk haben registrieren lassen: Magier, Geisterbeschwörer, Seher, Hexer, Zauberkünstler, Wunderheiler, Medizinmänner, Wahrsager und Propheten. Allen, die dieser Anordnung zuwiderhandeln, drohen Verhaftung, ein Gerichtsverfahren sowie entsprechende Bestrafung.«
    Sebastianus schob die Gedanken um das Elend der Welt von sich und hielt Ausschau nach einem Boot, das möglicherweise letzte Vorbereitungen traf, ehe es in Richtung flussaufwärts ablegte. Er wollte so schnell wie möglich nach Salama. Ulrika hielt sich dort auf.
    Gleich nachdem er mit seiner Karawane am Sammelplatz außerhalb der Stadtmauern angekommen war, hatte er sich schriftlich bei Bekannten in Jerusalem und Antiochia nach Ulrika erkundigt. Und weil sie gesagt hatte, sie würde, wenn sie es einrichten könnte, in Babylon zu ihm stoßen, hatte er außerdem Männer in die Stadt geschickt, die sich dort nach ihr umschauen sollten. Er selbst hatte in der Zwischenzeit die Gastfreundschaft der örtlichen Regierungsbeamten über sich ergehen lassen, hatte in einer Parade durch das Ishtar-Tor ziehen und geduldig die Lobeshymnen hinnehmen müssen, mit denen er überhäuft worden war, weil er als erster Mann aus dem Westen das Antlitz Chinas geschaut hatte. Abend für Abend hatte er seine Männer mit der Frage bestürmt, ob sie irgendeinen Hinweis auf Ulrikas Aufenthaltsort in Erfahrung gebracht hätten. Stets war ihre Antwort negativ ausgefallen – bis heute Morgen. »Sie wohnt im Jüdischen Viertel, Meister, bei einer verwitweten Weißnäherin. Allerdings ist sie vor drei Monaten stromaufwärts gezogen, ohne zu hinterlassen, wann sie zurückkommt.«
    Hatte sie überhaupt seinen Brief, den er damals bei seiner Abreise geschrieben hatte, erhalten?, fragte sich Sebastianus, nach wie vor auf der Suche nach einem auslaufbereiten Schiff.
    »Meister! Meister!« Primo drängte sich durch die Menge. »Meister! Du musst deinen Abstecher stromaufwärts verschieben. Quintus Publius wünscht, dass du in seiner Residenz vorsprichst.«
    »Schon wieder?« Der in die parthische Provinz Babylon entsandte Repräsentant Roms hatte für Sebastianus und seine Gefährten bereits eine Siegesfeier in seiner im Westen der Stadt gelegenen Villa veranstaltet. »Dafür habe ich keine Zeit. Richte ihm aus, dass ich ihn nach meiner Rückkehr aus Salama aufsuchen werde.«
    »Meister«, erwiderte Primo, und es klang beschwörend. »Vielleicht empfiehlt es sich, ihm diese Bitte nicht abzuschlagen.«
    »Ich stehe weder einem Repräsentanten Roms noch irgendeiner anderen Amtsperson Rede und Antwort. Sondern einzig und allein Nero, und der

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