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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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hintergehen oder treu zu seinem Meister stehen und dem Kaiser den Gehorsam verweigern? Ersteres würde zur Folge haben, dass Sebastianus hingerichtet wurde, Letzteres er selbst. Ein bitterer Geschmack machte sich in Primos Mund breit. Spionieren lag ihm nicht. Auch wenn er nichts Negatives über Sebastianus vorzubringen hatte, kam er sich wie ein Verräter vor.
    »Mein Meister hat für Rom viele neue Bündnisse mit ausländischen Königreichen geschlossen«, trug er vor und hoffte, den leicht erregbaren Repräsentanten Roms dadurch nicht nur friedfertiger zu stimmen, sondern auch den Bericht, den Quintus per Kaiserlichem Kurier Nero umgehend zukommen lassen würde, entsprechend zu beeinflussen. »Viele Stämme im Osten sind wehrhafte, aber primitive Völker, man muss das Brot mit ihnen teilen oder im Fernen Osten den Reis, und damit ist die Freundschaft besiegelt.« Was er verschwieg, war, dass die armseligen Tölpel ihre fettigen Daumen auf jedes Dokument drückten, das Sebastianus ihnen vorlegte, und dabei selbstzufrieden grinsten, weil sie sich den größten Herrschern der Erde ebenbürtig fühlten. Noch wussten sie ja nichts von den habgierigen Emissären, die in absehbarer Zeit bei ihnen auftauchen und sie auffordern würden, von allen Waren, die durch ihre Zollhäuser geschleust wurden, zehn Prozent ihres Werts an Rom abzuführen.
    Primo rieb sich über die Nase, die nur eine der vielen Narben zierte, die als Erinnerung an längst vergangene Schlachten seinen gesamten Körper verunstalteten. Er wusste, dass er – wie die chinesischen Konkubinen – ein Sonderling war, denn für gewöhnlich erreichte ein Veteran, der an unendlich vielen Auslandseinsätzen teilgenommen hatte, kein derart hohes Alter. Aber obwohl er jetzt sechzig und fast kahl war, besaß er noch all seine Zähne und war robust.
    »Wo, sagtest du, hält sich dein Meister auf?«, schnarrte Publius.
    »In der Stadt, geschäftlich.«
    Das Wort »Verrat« war zwar noch nicht gefallen, hing aber dennoch in der Luft. Jeder wusste, dass Nero vor zwei Jahren eine intrigante Spinne namens Poppaea Sabina geheiratet hatte, eine gierige und ehrgeizige Frau mit einem unstillbaren Appetit auf Vergnügungen. Es konnte kein Zufall sein, dass Nero schon bald nach der Hochzeit die bis dahin geltenden Gesetze, die bei Verrat zur Anwendung kamen, revidierte, um im Circus Maximus unterhaltsame Hinrichtungen zu veranstalten. Neuerdings kam man schon wegen fadenscheinigster Anschuldigungen ins Gefängnis und wurde dann in der Arena den Löwen zum Fraß vorgeworfen.
    Konnte man es seinem Meister als Verrat auslegen, dass er sich länger in Babylon aufhielt? Immerhin führte Sebastianus Waren mit sich, die das persönliche Eigentum von Kaiser Nero waren, und somit hatte er die Pflicht, dieses Eigentum schnellstmöglich nach Rom zu schaffen. Stattdessen war er in Babylon geblieben – wegen einer Frau!
    »Wünschst du, dass ich meinem Meister etwas ausrichte?«, fragte Primo.
    »Dein Meister ist nicht der einzige Grund, weshalb ich dich herbestellt habe«, sagte Quintus und griff in die Falten seiner Toga. Er musterte Primos entstelltes Gesicht und fragte dann: »Bist du ein loyaler Bürger, Primo Fidus?«
    Primo zuckte zusammen, als er seinen vollen Namen hörte. Wie hatte Quintus ihn herausgefunden? Und dass er ihn jetzt benutzte, ließ Primo nichts Gutes ahnen. »Ich bin ein loyaler Bürger
und
ein loyaler Soldat. Meine Ehre bedeutet mir mehr als mein Leben.«
    Quintus zog eine Schriftrolle mit dem Tonsiegel von Cäsar hervor. »Hier sind deine neuen Befehle. Sie sind geheim. Vergiss das nicht.«
    Misstrauisch beäugte Primo die Schriftrolle. »
Neue
Befehle?«
    »Dieses Dokument ermächtigt dich, Primo Fidus, die Führung der Karawane zu übernehmen, Sebastianus Gallus zu verhaften und ihn unter militärischer Aufsicht nach Rom zu bringen, damit er dort vor Gericht gestellt wird.«
    »Ihn verhaften! Weshalb denn?«, fragte Primo, obwohl er die Antwort bereits ahnte und befürchtete.
    »Verrat«, beschied Quintus ihn kurz und knapp. »Sämtliche Waren, die die Gallus-Karawane mit sich führt«, ergänzte er dann, »sind Eigentum des Kaisers von Rom. Dass Cäsar diese Waren vorenthalten werden, stempelt deinen Meister zum Dieb ab, was einem Verrat gleichkommt.« Er klopfte mit der Schriftrolle auf Primos breite Brust. »Wenn du deinen Meister nicht dazu bringst, Babylon umgehend zu verlassen, dann bete dafür, dass seine Hinrichtung gnädig vonstatten geht.«
    Primo

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