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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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schaute auf die Schriftrolle, als wäre sie ein Skorpion.
    Sebastianus verhaften! Bei Mithras, wie könnte er das tun?
    Zwischen den Schulterblättern brach ihm kalter Schweiß aus. Seit ihrer Ankunft in Babylon hatte er merkwürdige Gerüchte über Kaiser Nero vernommen, über seine Sprunghaftigkeit, dass man ihn als wahnsinnig erachtete und vor allem als unbarmherzig.
Er ließ Boten hinrichten, die schlechte Nachrichten überbrachten.
Was aber würde passieren, wenn Primo die Illoyalität seines Herrn nicht meldete und Nero dahinterkäme? Primo wollte sich das erst gar nicht vorstellen. Selbst ein hartgesottener alter Soldat wie er wurde schwach, wenn er daran dachte, auf welch grauenhafte Weise so mancher im Circus Maximus zu Tode kam. Würde Primos Bericht über Sebastianus ebenfalls eine so drastische Aktion wie eine Hinrichtung zur Folge haben?
    Er musste sich unbedingt eine Ausrede einfallen lassen, sollte der Kaiser eine Erklärung für Gallus’ langes Verweilen in Babylon fordern. Vielleicht sollte er sagen: Mächtiger Cäsar, mein Meister musste ungemein schwierige Verhandlungen führen, die dazu dienten, Babylon enger an Rom zu binden und diesen unwürdigen Fremden die Vorteile zu erläutern, finanziell und wirtschaftlich mit Rom verknüpft zu sein – das heißt, ruhmreicher Cäsar, er musste den einfältigen Babyloniern klarmachen, wie glücklich sie sich preisen können, dass Cäsar ein wohlgefälliges Auge auf sie hat!
    Fürwahr eine lange Rede für einen alten Soldaten, aber Primo würde sie ab sofort und bis er im Kaiserlichen Audienzsaal stand immer wieder proben, um sie dann so überzeugend wie möglich vorzutragen.
    Er kratze sich an der Brust und spürte unter seiner weißen Tunika die glückbringende Pfeilspitze, die er an einer Schnur um den Hals unter seiner Kleidung trug. Die Pfeilspitze des Germanen, die um Haaresbreite sein Herz verfehlt hatte. Plötzlich kam ihm eine Idee: »Vielleicht könnte der edle Publius meinem Meister die Ehre erweisen, eine der chinesischen Kostbarkeiten als Geschenk anzunehmen?«
    Der Römer rümpfte die Nase. »Du willst doch nicht etwa versuchen, mich zu bestechen, Primo Fidus? Dafür könnte ich dich bei lebendigem Leibe häuten lassen. Mach dich lieber auf die Suche nach deinem Meister! Sage ihm, er untersteht dem kaiserlichen Befehl, seine Karawane schnellstens nach Rom zu bringen. Ich muss heute nach Magna, zu einem Treffen mit der Königin, und wenn ich in einem Monat zurück bin, erwarte ich, keine Spur mehr von Sebastianus Gallus und seiner Karawane hier in Babylon vorzufinden!«

35
    »Ich habe nicht viel einzupacken«, sagte Ulrika, als sie mit Sebastianus einer gewundenen schmalen Gasse entlang zu dem Haus folgte, das sie sich mit einer Weißnäherin teilte. »Ich habe gelernt, mit leichtem Gepäck zu reisen.«
    Sie gelangten zu einer breiteren Straße, in der sich, im Schatten des mächtigen Justizpalastes, einer hochaufragenden Zikkurat mit abgestuften Terrassen, die mit Bäumen und Sträuchern und hängenden Ranken üppig bepflanzt waren, ein Markt befand, auf dem um Knoblauch und Porree, Zwiebeln und Bohnen gefeilscht wurde, Verkäufer von Brot und Käse ihre Preise verkündeten, Händler die Qualitäten ihrer verschiedenen Weine anpriesen.
    Unvermittelt erschallten vom Ende der Straße her Trompetenstöße. Und eine Stimme schrie: »Platz da! Macht Platz im Namen des großen Gottes Marduk!«
    Ulrika und Sebastianus sahen ein Aufgebot an Priestern um die Ecke biegen und dahinter Tempelwächter, die fünf Männer in Ketten mit sich führten. Wer zu Fuß unterwegs war, wich unwillkürlich zurück, Esel und Pferde wurden beiseitegeführt. Aus Torbögen erschienen Neugierige, die sich die seltsame Prozession nicht entgehen lassen wollten.
    Als sich zusehends noch mehr Menschen einfanden, zog Sebastianus Ulrika in den Schutz eines etwas abseits gelegenen Torbogens.
    Unter den in Weiß gewandeten Geistlichen stach einer heraus, der Hohepriester, dessen Kopf rasiert war und wie ein polierter Stein glänzte. Dadurch, dass er keinerlei Schmuck trug, sonderte er sich von allen Babyloniern ab, die für gewöhnlich danach trachteten, durch fransenbesetzte Kleider und spitz zulaufende hohe Hüte, Spazierstöcke und Schnabelschuhe einander zu übertrumpfen. Wenn der Hohepriester eine Straße entlangschritt, blieben die Passanten stehen, verneigten sich und senkten aus Ehrfurcht vor seiner Herrlichkeit und Macht den Blick. Es hieß, seine Autorität sei sogar

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