Die Schicksalsgabe
eines Mannes.
Sebastianus.
Er betrat das Atrium. »Der Gedanke, dass ich dich alleingelassen habe, machte mich unruhig. Ich musste mich überzeugen, dass alles in Ordnung mit dir ist. Als der Sklave an Paulinas Tor sagte, eine fremde Frau habe versucht, sich Zutritt zum Haus von Senator Publius zu verschaffen, wusste ich, dass etwas faul war.«
»Sie sind fort, Sebastianus«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Meine Mutter, meine Familie, alle. Ich bin ganz allein.«
Er zog sie in die Arme und drückte sie fest an sich, strich ihr übers Haar, spürte ihren warmen Atem an seinem Hals.
»Du bist nicht allein, Ulrika«, sagte er, »du kommst mit mir nach Hause.«
»Man wird uns alle im Schlaf ermorden!«
Primo packte die hysterische Wäscherin am Arm. »Halt den Mund, Weib«, knurrte er, »damit machst du alles noch schlimmer.« Seine eiserne Faust kniff sie zur Warnung kurz, aber schmerzhaft, ehe er die Frau ihres Weges schickte.
Heiliges Blut des Mithras, fluchte Primo in sich hinein und spuckte auf den Boden. Warum war es den Weibern nicht gegeben, in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren?
Gerade heute Abend war die Situation so brenzlig wie nie. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass Soldaten des neuen Kaisers systematisch jedem nachstellten, der irgendwie Kontakt zu Claudius Caesar gehabt hatte, und dies bezog auch den Händler und Karawanenführer Sebastianus Gallus mit ein, der Claudius zwar nur einmal kurz begegnet war, dessen Name aber auf der Liste derer vermerkt war, denen man Zutritt zum Kaiserlichen Palast gewährt hatte.
Mechanisch machte sich Primo wieder daran, das in den Räumen der Gallus-Villa herrschende Treiben zu überwachen, das stets die bevorstehende Rückkehr seines Herrn kennzeichnete.
Trotz seiner imponierenden Größe wirkte Primo alles andere als gewinnend. Seine Nase war so oft gebrochen, dass sie kaum noch als solche zu bezeichnen war. Er wäre dazu verdammt gewesen, ein Leben als Bettler zu fristen, wäre da nicht Sebastianus Gallus gewesen, dessen Haus am Rande der Stadt er jetzt mit der Härte und Entschiedenheit des treu ergebenen Soldaten führte, der er einst gewesen war, und das ohne seine ständige Gegenwart längst verlottert wäre. Da so viele Sklaven im Schutze der Nacht weggelaufen waren, gab es bereits jetzt kaum noch genug Dienstboten für die Küche, die Gärten, die Wäsche, die Versorgung der Tiere. Eine gespannte Stimmung beherrschte die erhellten Räume, in denen alles für die Rückkehr des Eigentümers in Ordnung gebracht wurde – unter dem wachsamen Auge des großen und hässlichen Primo, Teilnehmer an so vielen Feldzügen in ferne Länder und Überlebender so vieler Schlachten, dass ihn kaum noch etwas aus dem Gleichgewicht bringen konnte.
Was ihn allerdings wütend machte, war das durchdringende Geschrei einer hysterischen Wäscherin!
Als er jetzt von Zimmer zu Zimmer ging und allein schon durch sein bloßes Auftauchen die Sklaven einschüchterte – er trug weiterhin den ledernen Brustharnisch, die kurze Tunika und die soliden Sandalen aus seiner Soldatenzeit –, hätte er kaum sagen können, weshalb er auf Frauen nicht gut zu sprechen war. Gut möglich, dass er sie als »einfältige und nutzlose Kreaturen« bezeichnet hätte.
Es sei denn, er hätte sich eingestanden, dass der Grund für diese Verachtung seine eigene Mutter war, die Seefahrern ihre Liebesdienste angeboten hatte, derweil ihr Sohn zusammengerollt in einer Ecke lag und so tat, als höre er nicht die Schreie aus ihrem Bett. Als Primo zwölf war, wurde sie von einem Kunden erschlagen; dem Jungen gelang es danach mehr schlecht als recht, in den Straßen Roms zu überleben, bis er alt genug war, sich als Soldat anwerben zu lassen.
Möglicherweise rührte seine Abneigung gegen Frauen auch daher, dass er seiner gedankenlosen Mutter nicht verzeihen konnte, ihrem einzigen Kind den Namen Fidus – was »treu« hieß – verpasst zu haben, ohne darüber nachzudenken, dass sie mit diesem Namen ihren Sohn sein Leben lang Spott und Hohn aussetzte, schon weil Fidus in der Umgangssprache zu Fido abgekürzt und vornehmlich als Hundename verwendet wurde. So demütigend war für ihn dieser Name – seine Kumpel pflegten zu bellen, wenn er sich zeigte –, dass er, als er sich als Legionär verdingte, seinen Namen mit Primo angab, weil das eindrucksvoll klang, und dabei war es geblieben.
In Wahrheit jedoch – sollte Primo je sein verschlossenes Herz
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