Die Schicksalsgabe
Begleitung eine Frau ausmachte, runzelte er die Stirn.
Er wusste, was Frauen dachten, wenn sie ihn ansahen – ein hässliches Ungeheuer mit zu vielen Narben im Gesicht, um irgendwie einnehmend zu wirken. Nur gegen Geld gestattete ihm eine Frau etwas körperliche Nähe. Gelegentlich fragte er sich, ob ein Enthaltsamkeitsschwur, vor allem im Namen eines Gottes geschworen, der Eitelkeit des Mannes nicht dienlicher sei als die wiederholte Zurückweisung von Frauen – und auf alle Fälle besser für seine Geldbörse!
Primo wollte gerade auf seinen Herrn zueilen, als unerwartet am anderen Ende der Straße Soldaten auftauchten, Rüstungen klirrten, Stiefeltritte auf das Pflaster stampften. Primo riss die Augen auf. Anhand der Skorpion-Insignien auf ihren metallnen Kürassen erkannte er in ihnen Prätorianer, eine Eliteeinheit, die unmittelbar dem Kaiser unterstellt war. Noch entsetzter war er, dass sie entgegen der althergebrachten Tradition, sich innerhalb der Stadtmauern unbewaffnet zu zeigen, herausfordernd ihre Speere zur Schau stellten.
Das war kein gutes Zeichen.
Der Hauptmann der Kohorte, ein gedrungener, drahtiger Mann mit schmalem Gesicht und federbuschverziertem Offiziershelm, trat vor. »Bist du Sebastianus Gallus?«, fragte er.
»Der bin ich«, gab Sebastianus ungerührt zurück.
»Du hast mitzukommen, auf Befehl des Kaisers.«
Sebastianus nickte und wandte sich an Primo, um ihm den Auftrag zu erteilen, sich um die anderen der Gruppe zu kümmern. Aber die Prätorianer bildeten bereits einen Kreis um sie, nahmen zur Durchsetzung ihres Vorhabens ihre Speere zu Hilfe.
Sebastianus erhob Einspruch. »Lasst sie gehen. Sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen.«
Niemand achtete auf seine Worte. Alle wurden in Gewahrsam genommen: Sebastianus und Ulrika, Timonides und Nestor und auch Primo, der als altgedienter Legionär den Worten »auf Befehl des Kaisers« sofort Gehorsam zollte.
Sie wurden in einem Wagen auf den Palatin-Hügel gebracht, dem Ort, an dem der Legende nach eine Wölfin die Zwillinge Romulus und Remus, die Begründer Roms, gesäugt hatte, weshalb ihm große mystische Kraft innewohnte. Hier, mit Blick auf das Forum und den Circus Maximus, erhob sich der kaiserliche Palast; die weißen Marmorwände, Terrassen, Säulen und Springbrunnen zeichneten sich, von unzähligen Lampen und Fackeln erhellt, so deutlich gegen den dunklen Himmel ab, als trachtete der neue Kaiser danach, selbst der Nacht den Rückzug zu befehlen.
Während der Wagen unter massiven Bögen und vorbei an übergroßen Statuen dahinrumpelte, haderte Timonides mit sich selbst ob des grausamen Schicksals, das durch seine Schuld ihrer harrte. All diese verfälschten Horoskope! Hatte er wirklich geglaubt, damit durchzukommen?
Primo, der in dem schwankenden Wagen stand, als wollte er einem Sturm auf hoher See trotzen, machte der Gedanke zu schaffen, so viele Schlachten überlebt zu haben, um jetzt als Feigling sterben zu müssen.
Sebastianus stand neben Ulrika und grübelte darüber nach, was er vorbringen oder wen er bestechen könnte, um seine Gefährten freizubekommen; wenn Nero die Freunde von Claudius bestrafen wollte, dann sollte eigentlich nur er, Sebastianus Gallus, zur Rechenschaft gezogen werden. Ulrika, ein alter Astrologe und dessen einfältiger Sohn sowie der Oberste Verwalter seines Haushalts hatten jedenfalls nichts damit zu schaffen.
Andererseits war bekannt, was Kaiser sich einfallen ließen, um sich der uneingeschränkten Loyalität ihrer Untertanen zu versichern: Sie ließen nicht einen einzigen Freund ihrer Vorgänger am Leben. Würde sich Nero von Tiberius oder Caligula oder Claudius unterscheiden?
Am Ende eines schmalen, von Fackeln erhellten Weges hielt der Wagen an; man hieß die Gefangenen aussteigen. Von der elitären Kohorte abgeschirmt, wurden Sebastianus und seine Begleiter durch eine unauffällige und nicht bewachte Tür gescheucht. Weiter ging es einen spärlich erhellten Gang entlang, dann steile Stufen hinauf und durch noch schmalere Gänge. Ihre Schritte hallten von den marmornen Wänden wider, ihre Schatten streckten oder duckten sich in dem flackernden Licht.
Sie gelangten in einen breiteren Korridor, in dem sich Diener mit Platten und Krügen an ihnen vorbeischlängelten und gedämpftes Stimmengewirr zu ihnen drang. Als der Hauptmann der Kohorte dann einen schweren Wandteppich zu einem hell erleuchteten Audienzsaal beiseite zog, blinzelten sie geblendet und gleichzeitig verblüfft.
Der
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