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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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zu werden.
    Aber auch beim Näherkommen konnten Sebastianus und seine Freunde noch keinen Blick auf den jungen Nero erhaschen – Berater in purpurgesäumten Togen oder Militärkleidung umringten ihn, neigten sich, eifrigen Hühnern gleich, dem Thron zu, gackerten Empfehlungen in das kaiserliche Ohr.
    Wer nicht zu übersehen war und hoch aufgerichtet und machtvoll neben dem weißen Marmorthron stand, war Kaiserin Agrippina, eine attraktive Mittvierzigerin, die den Ruf genoss, skrupellos, ehrgeizig, leidenschaftlich und herrschsüchtig zu sein. Weiterhin hieß es von ihr, sie habe einen doppelten Eckzahn in ihrem rechten Oberkiefer, was als Glückszeichen gewertet wurde.
    Agrippina trug ein purpurnes Gewand unter einer safrangelben Palla mit goldener Borte; Hunderte winziger Locken ringelten sich um ihren Kopf. Man sagte ihr nach, stundenlang in Ziegenmilch zu baden und täglich eine Mischung aus Eiweiß und Milch auf ihr Gesicht aufzutragen, um ihre elegante Blässe zu unterstreichen. Als Urenkelin von Kaiser Augustus, Großnichte und Adoptivenkelin von Kaiser Tiberius, außerdem Schwester von Kaiser Caligula, Nichte und vierte Ehefrau von Kaiser Claudius und außerdem Mutter des neuen Kaisers Nero hatte Agrippina ihrem Sohn eine wahrlich illustre Blutlinie vererbt.
    Dass sie ihren Gatten Claudius vergiftet hatte, damit Nero Anspruch auf den Thron erheben konnte, wurde keinen Augenblick lang bezweifelt. Wie aber ließ sich das beweisen? Kaiserliche Bedienstete berichteten von dem heroischen Bemühen der Kaiserin, ihren bei Tisch zusammengesackten Gatten zu retten; sie habe sich neben ihn gekniet und ihm gewaltsam den Mund geöffnet, um dann mit Hilfe eines Federkiels einen Brechreiz auszulösen. Claudius hatte sich tatsächlich erbrochen, wodurch er den Magen von dem vergifteten Gericht (aus Pilzen, wie geraunt wurde) befreite, aber dann starb er doch. Niemand konnte der Kaiserin die Schuld zuschieben, sie hatte ja versucht, sein Leben zu retten; andererseits ging das Gerücht um, der Federkiel sei in ein Toxin getaucht gewesen, das von einem seltenen Fisch stammte, und dass es dieses Gift gewesen sei, das den Kaiser umgebracht hatte.
    Jetzt beugte sich die Kaiserin vor, ihre langen Finger legten sich dem Sohn auf die Schulter. Sie flüsterte etwas, worauf die Berater zurücktraten und die kleine Gruppe um Sebastianus einen Jüngling erblickte, der in einer weißen Tunika unter einer purpurn gesäumten weißen Toga und einem Lorbeerkranz um die Stirn auf dem weißen Marmorthron saß. Der Sechzehnjährige wies gleichmäßige Gesichtszüge auf, hatte einen eher flaumigen Bartwuchs und überraschend blaue Augen. Der für sein Alter ungewöhnlich feiste Nacken verlieh ihm eine athletische Note, an der es ihm ansonsten mangelte. »Der Ruf der Gallus-Familie ist sehr wohl bekannt, Sebastianus«, sagte der junge Cäsar ohne Einleitung. »Du, dein Vater und Großvater haben Rom und seinem Volk treu gedient. Und jetzt sagt man uns, du willst eine diplomatische Route nach China einrichten?«
    »Genau so verhält es sich, Cäsar«, sagte Sebastianus verdutzt.
Das
hatte er nicht erwartet. »Ich möchte den Menschen in China die Macht und Größe Roms nahebringen. Darüber hinaus möchte ich den Kreis von Cäsars Freunden und Verbündeten erweitern.«
    »Andere Männer beabsichtigen das Gleiche. Warum sollte ich dir den Vorzug geben?«
    Sebastianus dachte an die Nacht, die er mit Ulrika in der Höhle verbracht hatte, und daran, dass ihm damals auf eine Bemerkung von ihr hin eingefallen war, mit welch entscheidendem Argument er sich von seinen Mitbewerbern abheben würde. »Weil einzig und allein ich, Cäsar, dafür bürgen kann, den fernen Orient zu erreichen«, sagte er selbstbewusst. »Wo andere mit Sicherheit versagen, werde ich erfolgreich sein. Und ich verspreche, dass ich nicht nur mit neuen Freunden Roms und ihren Verträgen heimkehren werde, sondern auch mit unermesslichen Schätzen.«
    Nero legte den Kopf zurück und sah seine Nase entlang auf den Bittsteller, eine Pose, die der Jüngling, wie Sebastianus mutmaßte, vor dem Spiegel eingeübt haben musste. »Dann verrate mir doch, Gallus, wieso du dich dafür verbürgen kannst, andere Händler aber nicht?«
    »Ich bin vor kurzem aus Germania Inferior zurückgekommen, wo ich regelmäßig in Colonia Handel treibe. Dort habe ich ein außergewöhnliches Geheimnis erfahren.«
    »Und das wäre?«, fragte Nero. Agrippina, die kaiserlichen Berater und die, die sich unweit von

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