Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
Minerva gewesen. Und die ägyptische Seherin hatte damals von einem Schlüssel gesprochen, den sie entgegennehmen solle. Ihre Zimmer über dieser Taverne hatten zwar abschließbare Türen, aber Schlüssel hatte ihnen der Wirt nicht ausgehändigt. Wer würde ihr nächster Lehrmeister sein? Und wann würde sie einen Schlüssel erhalten – und wofür?
    Während Timonides und Nestor, die mit an ihrem Tisch saßen, ihren Fisch mit Lauchgemüse verspeisten, ohne zu merken, dass sie eine Zeitlang ganz in sich versunken war, richtete Ulrika ihre Aufmerksamkeit auf die Eingangstür der Taverne, die zum Schutz vor Kälte und Regen geschlossen war.
    Wo blieb Sebastianus? Er war vor geraumer Zeit in die Stadt aufgebrochen. Hatte er sich verlaufen?
    Der Gasthof lag im Norden des Jüdischen Viertels von Antiochia, an einer schmalen Straße, die sich aus unerfindlichen Gründen Straße des grünen Zauberers nannte – kein Zauberer lebte hier, und weit und breit gab es weder Bäume noch Sträucher, noch sonst etwas Grünes. Da man sich wegen der kreuz und quer verlaufenden Straßen und Gassen leicht verirren konnte, war Ulrikas Sorge durchaus berechtigt, Sebastianus könnte so spät nachts und noch dazu bei diesem unfreundlichen Wetter den falschen Weg eingeschlagen haben, wenn ihm nicht gar noch Schlimmeres zugestoßen war.
    In der Taverne war es ruhig und reichlich dunkel. In der letzten Stunde war niemand hereingekommen, nur noch wenige Kunden hielten sich in der rauchgeschwängerten Atmosphäre auf. Zwei angetrunkene Zimmerleute, die mit ihren Bierkrügen am Tresen lehnten, beklagten sich über mangelnde Aufträge, und an drei Tischen dösten Kunden über ihren Bechern vor sich hin. Auch der joviale und gutmütige Wirt wirkte vom übermäßigen Genuss dessen, was er selbst verkaufte, angeschlagen.
    Ulrika spürte, wie ihr Herz heftig zu schlagen begann und ihr Atem schneller ging. Da sie entdeckt hatte, dass sie, wenn sie ganz bewusst atmete, auch innerlich ruhiger wurde, zwang sie sich, kontrolliert durchzuatmen, und sagte sich, dass Sebastianus jeden Morgen den Gasthof verließ und immer wieder durch das Gewirr der Straßen zurückfand. Da der Handelszug nach China der größte war, den er je angeführt hatte, gab es eben eine Menge zu organisieren und zu erledigen.
    Das Netz von Freunden und Verbindungen, das er unterhielt, war nach wie vor beeindruckend. Selbst in einer von Rom so weit entfernten Stadt schien er viele zu kennen, die ihm eine Gefälligkeit schuldeten oder ihm einfach gern halfen.
    Der Mann, mit dem er sich heute Abend treffen wollte, hatte allerdings nichts mit der Karawane zu tun. Er sollte Ulrika bei ihrer Suche unterstützen. Da sie ihre Mutter in Antiochia bislang nicht ausfindig gemacht hatte, wollte sie in Erfahrung bringen, ob irgendjemand in dieser Hafenstadt von den Kristallenen Teichen von Shalamandar wusste. Sebastianus hatte sich umgehört und mitbekommen, dass außerhalb von Antiochia, im Daphne-Tal, ein Einsiedler namens Bessas lebte, der vor langer Zeit in diese syrische Stadt gekommen war und dem Vernehmen nach außergewöhnliche und geheimnisvolle Orte kannte, dass es aber noch niemandem gelungen war, ihm dieses Wissen zu entlocken. Nichts habe Erfolg gezeigt, sagten alle, weder Schmiergeld noch ein Appell an die Vernunft, noch inständiges Bitten, nicht einmal Drohungen.
    Sebastian hingegen war optimistisch gewesen, den Alten zum Reden bringen zu können, und trotz leiser Zweifel nahm Ulrika das auch an, weil Sebastianus Gallus ungemein überzeugend sein konnte. Blieb nur zu hoffen, dass er Erfolg hatte.
    Am Wasserpegel der im Stundenabstand markierten steinernen Urne, aus der kontinuierlich Wasser tropfte, war abzulesen, dass Mitternacht bereits vorbei war.
    Ulrika merkte, dass jemand sie am Arm zupfte. Es war Nestor, der ihr einen dicken Pfirsich anbot. Sie dankte ihm und biss in die saftige Frucht. Seit dem Zwischenfall mit dem angeblich blinden Bettler in Pisa folgte ihr Nestor wie ein zahmes Hündchen, lächelte sie hingebungsvoll an und machte ihr kleine Geschenke. Die kindliche Unschuld und Arglosigkeit dieses ungeschlachten Kerls rührten sie.
    Sie vermutete, dass Begriffe wie Zeit und Entfernung Nestor eher fremd waren und dass sich seiner Meinung nach die Sache mit dem Bettler erst gestern und in dieser Stadt zugetragen hatte. Deshalb würde die Erinnerung daran nie vergehen, ebenso wenig wie seine Dankbarkeit, dass sie ihn gerettet hatte.
    Sie behielt die Eingangstür zur

Weitere Kostenlose Bücher