Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
schweifen, als sie aus dem Augenwinkel etwas Schwarzes mitbekam, das sich bewegte. Sie fuhr herum und sah ein Tier, das sie beobachtete.
    Beim Anblick der hungrigen Bestie, die sie aus gelbgoldener Iris anstarrte, gefror ihr das Blut. Ein Wolf.
    Mit angehaltenem Atem stand sie dem Wolf gegenüber – einer braunen, zottelhaarigen Kreatur mit gespitzten Ohren und aufgestellter Rute. Existierte das Tier wirklich oder war es eine Vision? Windböen tanzten um Ulrika herum, fuhren wie klagend durch die kleinen Schluchten. Sand wirbelte auf, wehte nebelgleich über das Erdreich.
    Ulrika und der Wolf ließen sich nicht aus den Augen. Sie wagte nicht, sich zu bewegen. Wenn er lebendig war, würde er angreifen.
    Aber dann wandte sich der Wolf um und setzte sich mit hocherhobenem Kopf federnden Schritts in Bewegung. Kurz darauf blieb er stehen und schaute sich zu Ulrika um, so als wollte er sie auffordern, ihm zu folgen. Sein Ziel schien allerdings nicht eine Schlucht und damit Unterschlupf und Schutz zu sein; stattdessen verharrte er auf dem flachen Ödland, wo sie ungeschützt und angreifbar sein würde.
    »Du machst einen Fehler«, raunte sie der Vision zu und wandte sich einer der Schluchten zu, wo sie eine Höhle entdeckt hatte, die Unterschlupf zu versprechen schien.
    Aber der Wolf lief weiter in die entgegengesetzte Richtung, auf offenes Gelände. Wieder hielt er inne und schaute zurück, und seine gelbgoldenen Augen forderten sie unmissverständlich auf, ihm zu folgen.
    Du willst mich auf exponiertes Gebiet führen!, wollte sie rufen. Aber der Wolf wartete, bis Ulrika, unfähig, sich seinem Einfluss länger zu entziehen, nachgab und hinter ihm herhumpelte.
    Endlich blieb das Tier stehen, drehte sich zu ihr um und wartete, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatte. Dann setzte es sich auf seine Hinterläufe, wie ein steinernes Götterbild in Erwartung einer Opfergabe. Seine durchdringenden goldenen Augen starrten sie unverwandt an, seine Ohren waren gespitzt.
    Auf Ulrikas Frage: »Was willst du von mir?«, löste er sich vor ihren Augen auf wie Schatten zur Mittagszeit, wie der Wolf an der Seite von General Vatinius, bis Ulrika in der trostlosen Öde allein war, mit schmerzvoll pochendem Knöchel, trockenem Mund und ausgedörrter Kehle, während Schakale ihr geisterhaftes Geheul zu den Sternen schickten. Bestimmt pirschten sich bald weitere Raubtiere an.
    Sie wandte sich zum Gehen, aber ihr Knöchel machte nicht mehr mit. Mit einem Schrei stürzte sie zu Boden, konnte trotz aller Bemühungen nicht mehr aufstehen und erst recht nicht mehr laufen.
    Alles an Kraft und Energie schien aus ihrem Körper gewichen zu sein. Sie war erschöpft. Tränen schossen ihr in die Augen, als sie ihr Bein massierte und an die Horde nächtlicher Kreaturen dachte, die sie umkreisten, sie beobachteten, sie belauerten.
    Wie teilnahmslos blickten die Sterne auf sie herab, stumme Zeugen ihrer Verzweiflung, während der kalte Wind ungerührt an Ulrikas Kleidern zerrte. Der dunkle Himmel war still, die Natur schwieg.
    Hilf mir!, flehte sie in stiller Verzweiflung die Große Mutter an, die sie ihr Leben lang verehrt hatte.
    Sie versuchte, zumindest so viel Kraft zu sammeln, um zu den Bergen zurückzukriechen. Wie um Trost zu suchen, umfasste sie Sebastianus’ Muschel, dachte an den kraftvollen Mann, den sie liebte, rief sich seine Stimme in Erinnerung, seinen Duft, das Gefühl seiner Wärme und Ruhe. Warum nur war sie nicht mit ihm nach Babylon gezogen?
    Von Müdigkeit übermannt, bettete sie den Kopf in den Staub – und spürte, wie er sich unter ihrer Wange in kühles Gras verwandelte. Als sie die Augen öffnete, war es plötzlich helllichter Tag, über ihr wölbte sich ein blassblauer Himmel, und vor sich erblickte sie eine hochgewachsene Frau, die inmitten von ungezähmten, grünen Wiesen einen Altar aus Kammmuscheln errichtete. Der Wind zauste ihr langes Haar, meißelte ihr langes weißes Gewand zu einem marmornen Meisterwerk.
    »Wer bist du?«, fragte Ulrika.
    Die Frau lächelte geheimnisvoll, raunte: »Das weißt du doch.«
    Ja, Ulrika wusste es. Sie war Gaia, eine Priesterin aus uralter Zeit, die Ahnin, von der Sebastianus gesprochen hatte und von der er abstammte.
    »Warum erscheinst du mir?«, begehrte Ulrika zu wissen.
    »Um dir zu sagen, dass du nichts zu befürchten hast.«
    Und dann schwanden der Altar und die grünen Küstenhänge. Um Ulrika herum war wieder endloses Ödland, über ihr blinkten die Sterne.
    Und dann sah

Weitere Kostenlose Bücher