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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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abgefunden, da draußen umzukommen«, fügte sie hinzu. »Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ihr mich nicht gefunden hättet.«
    »Wir wussten nicht, dass du da draußen warst«, sagte Rachel. »Bis wir deinen Hilferuf hörten. Gut, dass du die Kraft hattest, laut genug zu schreien.«
    »Fast hätte ich es sein lassen«, gestand Ulrika. Sie rief sich die Vision ins Gedächtnis zurück, die sie gehabt hatte – erst war ihr Gaia erschienen, eine Priesterin aus unvordenklicher Zeit, dann ein Fremder, von dem ein Leuchten auszugehen schien. Und der sie eindringlich aufgefordert hatte, um Hilfe zu rufen.
    Vom Wasser erfrischt, nahm Ulrika jetzt nach und nach das Innere der Behausung wahr. Rachels Unterkunft war ein typisches Wüstenzelt: in der Mitte ein Pfahl, der die Decke in die Höhe stemmte und dadurch einen geräumigen Bereich schuf, der von einem Kohlebecken geheizt wurde. Für Licht sorgten Lampen aus Messing und Ton. Den Fußboden bedeckten Teppiche; auf einem kleinen Tisch standen Schalen, eine Kanne, Gegenstände des täglichen Bedarfs. An einem Pflock hing neben einem Paar Sandalen ein Umhang, der offenbar einer zierlichen Frau gehörte. Ulrika vermutete, dass in den anderen, kleineren Zelten Lebensmittel aufbewahrt wurden oder dass vielleicht andere Leute dort schliefen.
    Mit einem Lächeln bot die ältere Frau, die sich Almah nannte, grauhaarig und gebeugt war und schwarze Kleider und einen schwarzen Schleier trug, Ulrika einen Teller mit süßem Feigenkuchen und eine Schale Datteln an. Dankend nahm Ulrika beides entgegen.
    Während sie sich die hochwillkommene Gabe munden ließ, musterte sie ihre Retterinnen genauer. Rachel war Ulrikas Schätzung nach Anfang vierzig, schlank und bekleidet mit einem langen Gewand aus weicher Wolle, das in der Taille mit einer Schärpe zusammengehalten wurde und in braune und cremefarbene Querstreifen eingefärbt war; das dichte schwarze Haar verbarg Rachel unter einem haubenartigen Schleier aus weicher brauner Wolle, der sich in sanften Falten um ihre Schultern schmiegte. Schmuck trug sie keinen. Umso eindrucksvoller war ihr Gesicht: markant geschnitten, dichte schwarze Brauen, die großen dunklen Augen in den äußeren Ecken von Fältchen zerfurcht. Fragte sich nur, warum Rachel und ihre ältere Gefährtin offensichtlich allein in dieser Wüstenei lebten. Oder gab es da noch andere, die sie vielleicht morgen kennenlernen würde?
    »Was ist passiert?«, fragte Rachel, die auf einem großen Kissen Platz nahm und die Füße unter ihrem Rock versteckte. »Warum warst du allein da draußen?«
    Ulrika berichtete von der Suche nach ihrer Mutter in Jerusalem, von ihrem Vorhaben, nach Jericho zu ziehen und von dort aus nach Babylon, dass aber ihre Begleiter sich still und heimlich davongemacht hätten. »Mein Esel mit all meinen Sachen läuft noch da draußen herum«, schloss sie.
    »Den werden wir bestimmt morgen früh finden«, sagte Rachel. »Wenn du gesättigt bist, werde ich deinen Knöchel behandeln. Er ist ziemlich geschwollen.«
    »Vielen Dank«, murmelte Ulrika und widmete sich wieder ganz dem Essen, merkte aber kurz darauf, dass ihre Gastgeberin sie fragend ansah.
    »Dort, wo du gestürzt bist«, sagte Rachel nach einer Weile, »warst du da aus einem bestimmten Grund?«
    »Wie meinst du das?«
    Rachel lächelte und schüttelte den Kopf. »Ach nichts. Komm, lass mich deinen Knöchel verbinden. Almah hat etwas, was die Schmerzen lindert.«
    Ulrika nahm den Holzbecher mit der dunklen Flüssigkeit entgegen. Bereits am Duft erkannte sie den belebenden Trank als eine Medizin, die schon ihre Mutter damals in Rom ihren Patienten verabreicht hatte: Zweifach gebackenes Gerstenbrot wurde in Wasser eingeweicht, dann musste es in einem großen Tonbottich gären, und wenn man dann die Flüssigkeit durch ein Tuch presste, erhielt man ein starkes, bierähnliches Gebräu.
    Sie setzte den Becher an die Lippen, in Gedanken wieder bei der Vision in der Wüste. Sie war intensiver gewesen als alle anderen zuvor. Und diesmal hatten zwei Gestalten sie direkt angesprochen. Oder spielte ihr Verstand ihr einen Streich? Was sie allerdings verwunderte, war das friedvolle, herzerwärmende Gefühl, das sie eingehüllt hatte, ein wundervoller Zustand, den sie am liebsten beibehalten hätte.
    Ob das möglich gewesen wäre, wenn sie sich auf ihr neues bewusstes Atmen besonnen hätte, um die Vision zu steuern und andauern zu lassen?

16
    Als am Morgen die Sonne aufging und sich Ulrika in

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