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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ihrer neuen Umgebung umschaute, staunte sie nicht schlecht über die kleine Ansammlung von Zelten inmitten der Wildnis, in der zwei Frauen ohne Familie oder Freunde, ja nicht einmal mit einem Diener lebten und in der ihnen gerade mal Hühner und zwei Ziegen Gesellschaft leisteten.
    Rachel zufolge befand sich drei Meilen entfernt in nördlicher Richtung eine Oase, wo eine natürliche Quelle Dattelpalmen wachsen ließ, wo es Fische und Vögel gab. Mehrere Familien lebten ständig dort, Reisende machten dort Rast. Rachel und Almah suchten in Abständen diese Oase auf, um sich mit Trinkwasser und Lebensmitteln zu versorgen, zogen es aber vor, immer wieder in die Einsamkeit dieser trostlosen Schlucht zurückzukehren.
    Warum nur?
    Als sie Schritte hörte, wandte sie sich um und sah, wie Rachel mit dem Esel, der noch immer Ulrikas Gepäck und ihren Medizinkasten auf dem Rücken trug, den Hohlweg heraufkam. »Er ist nicht weit gelaufen«, lächelte sie. »Wie geht es deinem Knöchel?«
    Er tat nicht mehr so weh, richtig auftreten konnte Ulrika jedoch nicht. Trotzdem wollte sie schnellstmöglich ihre Reise nach Babylon fortsetzen und hoffte, sich einer durchziehenden Karawane oder Familie anschließen zu können.
    Als Rachel das Tier festband und dann daran ging, Ulrikas Bündel zu lösen und ins Zelt zu bringen, drängte es Ulrika, sie zu fragen, warum sie und Almah nicht in der Oase lebten, sondern hier, in dieser kahlen Umgebung, in der nicht einmal ein Dorn wuchs.
    Aus dem Zelt zurück, begab sich Rachel zu dem Kochtopf, der über einer Feuerstelle hing, und rührte eine vor sich hin köchelnde Linsensuppe um. »Bitte setz dich«, sagte sie zu Ulrika und deutete auf einen Hocker neben dem Eingang des Zelts, »du darfst deinen Knöchel nicht belasten.«
    Ulrika kam der Aufforderung gerne nach. Das Gesicht der erfrischenden Morgenbrise zugewandt, konnte sie bis zur verkrusteten weißen Küste des »toten« Meeres sehen, über die trostlose Öde, die sich von dem Gewässer mit seinen ätzenden Dämpfen bis zum Fuße dieser Berge hier zog. Sogar die Stelle konnte sie erkennen, wo sie gestürzt war und eine Vision gehabt hatte, die sie selbst jetzt noch, bei strahlendem Sonnenschein, verstörte.
    Auch das kleine Lager konnte sie überschauen, die kleinen, von niemandem bewohnten Zelte, das größere, das Almah gehörte, und das größte, Rachels, von dem aus man das Lagerfeuer im Blick hatte, herumstehende Schemel, einen Hühnerstall und zwei Ziegen. Nasse Wäsche, die die duldsame Almah in die Oase gebracht, dort gewaschen und wieder zurückgebracht hatte, war auf Felsblöcken zum Trocknen ausgebreitet.
    Als Rachel merkte, wie aufmerksam sich Ulrika umschaute, sagte sie: »Ich bin Witwe. Weil mein geliebter Mann starb, noch ehe er mich mit Kindern segnen konnte, bin ich allein. Andere haben zeitweise hier bei mir gelebt, sind aber nach und nach wieder weggezogen. Nur Almah ist geblieben.«
    Ulrika fielen die Vestalinnen ein – eine Gemeinschaft von Frauen in Rom, die das Gelübde der Keuschheit abgelegt hatten und ein ganz dem Gebet gewidmetes Leben in der Abgeschiedenheit ihres Tempels führten. Aber Rachel war Jüdin – Ulrika hatte im Inneren des Zelts die Menora gesehen, den siebenarmigen Leuchter –, und von jüdischen Einsiedlerfrauen hatte sie noch nie gehört.
    »Was erwartet dich denn in Babylon?«, fragte Rachel lächelnd, »dass du es derart eilig hast, dorthin zu kommen?«
    »Dort hält sich eine Karawane auf, die kurz davor steht, in fernöstliche Länder aufzubrechen. Ein … Freund ist der Anführer, ein Spanier namens Sebastianus Gallus. Wir haben uns in Antiochia getrennt, weil ich nach Jerusalem wollte, wo ich meine Mutter zu finden hoffte. Ich habe ihm versprochen, in Babylon wieder zu ihm zu stoßen, wenn sich das einrichten lässt.«
    »Hat es mit Babylon etwas Besonderes auf sich?«
    Nachdenklich sah Ulrika Rachel an. Die schöne Jüdin besaß eine eindrucksvolle Stimme. Für eine Frau war sie ungewöhnlich tief, aber sanft und einschmeichelnd. Wie warmer Honig, fand Ulrika. Eine Stimme, die einen nicht unberührt ließ. Ulrika überlegte, ob Rachel sie für verrückt hielte, wenn sie ihr von Visionen erzählte, die als Gabe der Götter anzusehen wären, und dass sie einen Ort mit Namen Shalamandar ausfindig machen musste, den Ort, an dem sie gezeugt worden war. »Ich suche etwas Bestimmtes«, hob sie an. »Man hat mir gesagt, es befinde sich im Rücken des Ostwinds, in einem namenlosen Gebirge.

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