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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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kümmere mich weiterhin um meinen Mann.«
    »Obwohl er tot ist?«
    »Eines Tages wird er wieder bei mir sein.«
    »Wie meinst du das?«
    »Jakob und ich werden am Tage der Auferstehung aufs Neue vereint sein.« Da Ulrika offenbar nicht verstand, was sie damit meinte, fügte sie hinzu: »Im Buch Hiob steht geschrieben: ›Und werde danach mit dieser meiner Haut umgeben werden und werde in meinem Fleisch Gott sehen.‹ Ein anderer Prophet, Daniel, sagte, dass die, die im Staub der Erde schlafen, erwachen werden und sich eines nicht endenden Lebens erfreuen. Und unser Lehrmeister, der von Rom gekreuzigt wurde, sagte, dass wir, wenn der Jüngste Tag anbricht, wieder auferstehen werden.«
    Sie senkte die Stimme. »Weil ich dir vertraue, Ulrika, und weil wir uns unter so merkwürdigen Umständen begegnet sind, werde ich dir etwas erzählen, was ich noch nie jemandem erzählt habe. Mein Ehemann ist hier begraben, und meine Aufgabe ist es, sein Grab zu beschützen. Deshalb bleibe ich hier.«
    Ulrika sah sich um, konnte aber nichts entdecken, was auf ein Grab hindeutete. »Was meinst du mit den merkwürdigen Umständen, unter denen wir uns begegnet sind?«
    »Genau dort, wo Almah und ich dich fanden, dort, wo du dir den Knöchel verstaucht hast und um Hilfe riefst – dort ist mein Jakob begraben.«
    Ulrikas Augen weiteten sich. »Ich habe auf einem
Grab
gelegen?«
    »Vor elf Jahren wurde mein Mann von seinen politischen Feinden ermordet. Ich wusste, dass ihre Verfolgung nicht mit seinem Tod enden würde, dass sie sich nicht zufriedengeben würden, ehe sie nicht seine Knochen im Wind verstreut hätten. Deshalb brachte ich zusammen mit ein paar treuen Freunden seinen Leichnam hierher und begrub ihn an einem nicht gekennzeichneten Ort. Meine Freunde blieben bei mir, im Laufe der Jahre dann verließ mich einer nach dem anderen. Der Grund dafür, dass ich nicht in der Oase lebe und auch nicht mit dir nach Babylon gehen kann, ist, dass ich über Jakobs letzte Ruhestätte wachen und sie vor seinen Feinden beschützen muss.«
    Ulrika war verblüfft. Nicht
sie
hatte sich den Ort ausgesucht, sondern sie war von dem Geist eines Wolfes dorthin geführt worden. Und erneut dachte sie an die Vision, die sie dort gehabt hatte – an die Gestalt, von deren Haupt und Händen ein Leuchten ausgegangen war.

17
    Rachels konzentrierte Meditation ging Ulrika nicht aus dem Kopf. Wenn sie die Verbindung mit dem Überirdischen bewirkte, konnte sie dann nicht auch ihr helfen, ihre Schicksalsgabe zu erschließen?
    Als sich Rachel und Almah wieder einmal zur Oase aufmachten, humpelte Ulrika, auf einen Stock gestützt, um ihren noch nicht ganz ausgeheilten Knöchel zu entlasten, an die Stelle, wo die beiden Frauen sie verletzt aufgefunden hatten. Obwohl man in dieser Wildnis wahrscheinlich überall versuchen konnte zu meditieren, hatte sie genau dort zwei intensive Visionen erlebt. Außerdem lag hier jemand begraben. Vielleicht strahlte dieser Ort eine besondere Energie aus, weshalb die Visionen so überwältigend gewesen waren.
    Sie vergegenwärtigte sich, was Rachel ihr erklärt hatte, hielt das Gesicht dem Wind entgegen. Die Sonne ließ die Oberfläche des Salzmeers in der Ferne schimmern. Ulrika überkreuzte die Beine, bedeckte das Gesicht mit den Händen und konzentrierte sich darauf, ihre Atmung zu verlangsamen, die Tätigkeit ihrer Lungen entsprechend zu drosseln. Als sie gleichmäßig und tief durchatmete, konzentrierte sie ihre Gedanken auf ein Bild, das sie sich ausgesucht hatte. »Wähle dir etwas Persönliches«, hatte Rachel ihr geraten. »Etwas Einfaches, Unverfälschtes.« Deshalb beschwor Ulrika die innere Flamme, die in jeder Seele brennt, und stimmte dann im Flüsterton einen Gesang an. Als sich die Worte immer häufiger wiederholten, während ihre Hände sie von der Welt abschotteten, fing Ulrika an, sich hin und her zu wiegen, denn wie Rachel gesagt hatte, »bringen wir unseren ganzen Körper in das Gebet mit ein, so dass wir letzten Endes auch mit Sehnen und Knochen beten.«
    Ulrika dachte an das innere Licht, die glimmende Flamme der Seele, und sandte immer wieder ihre Bitte in den Kosmos: »Gnädige Große Mutter, erhöre mein Flehen. Gnädige Große Mutter, erhöre mein Flehen.« Und allmählich spürte Ulrika, wie stiller Friede über sie kam, wie ihre Sorgen und Ängste schwanden. Das Bild der Flamme vergrößerte sich, bis ihre Wärme auf sie abstrahlte; bei der Vorstellung, das Bild der Erscheinung, die sie in freudige

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