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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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sie bei der Schwester am Schleifbock gefunden hatte - in Stücke, die sie zu dem restlichen Gemüse in ihren Topf fallen ließ. Müde rieb sie sich das Gesicht. Sie war sich nicht sicher gewesen, wie die Mutter sie empfangen würde. Mit allem hatte sie gerechnet - nur nicht damit, mit einem Geldstück abgespeist zu werden. Inzwischen waren die nassen Kleider gewechselt und die Tränen versiegt. Doch sie fühlte sich noch immer wie ein geprügelter Hund.
    »Madelin?«
    Die junge Frau sah auf. Lucas stand neben ihr am Brunnen, selbst nass bis auf die Haut. »Lucas, du bist ja völlig durchnässt! Willst’ dich nicht umziehen?«
    »Dann werde ich ja nur gleich wieder nass«, erwiderte der Student und runzelte die Stirn. »Dir geht es nicht gut, oder?«
    Madelin senkte den Blick. »Nein, nicht sonderlich. Ich möchte nicht darüber reden. Und Franziskus …« Sie verstummte.
    »Hatte er wieder einen Anfall?«, fragte Lucas.
    »Nein, das nicht. Aber ich habe noch keinen Physicus gefunden, der ihm helfen könnte - die sind wohl alle geflohen. Aber da ich auch kein Geld hätte, um einen zu bezahlen, ist das momentan eh einerlei.« Sie schluckte. »Kannst du ihm nicht helfen? Er hat Krämpfe, die ihn immer wieder heimsuchen. Es kommt und geht, und man kann nichts dagegen tun. Der Mönch in Pressburg hat gesagt, er sei besessen, es hülfe nur ein Exorzismus.« Sie presste die Lippen aufeinander und blickte
zu Boden. »Aber ich glaube nicht, dass ein Teufel in ihm steckt. Ich weiß, dass er krank ist.«
    Lucas sah zu den Karren hinüber. »Ich … ich bin erst am Anfang meines Studiums«, sagte er leise. »Und … ich darf noch nicht behandeln.«
    »Aber das muss doch niemand erfahren!«, bat Madelin und sah ihm flehend in die Augen. »Wir erzählen es bestimmt niemandem weiter!«
    »Madelin, ich würde sehr gerne helfen. Aber das letzte Mal, als ich das versucht habe … Ich habe ziemlichen Ärger deswegen. Jemand ist gestorben.«
    Madelin musterte sein Gesicht und sah den Schmerz, der darin stand - und die Zweifel, die das Ereignis hinterlassen hatte. Wie schrecklich, dass seinetwegen jemand ums Leben gekommen war! »Das war bestimmt nicht deine Schuld«, sagte sie und griff nach seiner Hand.
    »Vielleicht doch«, erwiderte er mit belegter Stimme. Doch sie spürte, wie er ihre Finger dankbar drückte. »Ich kann mir Franziskus ansehen und dann in ein paar Büchern nachschauen. Vielleicht finde ich etwas heraus.«
    »Das wäre schön«, sagte sie. »Das hilft bestimmt schon.«
    »Aber eigentlich bin ich ja aus einem anderen Grund gekommen«, sagte Lucas und lächelte jungenhaft. Er griff in sein Wams und zog daraus ein Wachstuch hervor. Vorsichtig schlug er es vor ihren Augen auf.
    Madelin hielt den Atem an, denn darin lagen ihre Trionfi-Karten. »Das … das ist ja mein Kartenspiel!«
    »Nicht ganz. Sieht es deinem alten ähnlich?«
    »Es sieht ganz genauso …«, sie hielt inne und fuhr eine Linie auf der obersten Karte nach, die anders war als bei ihrem alten Spiel. »Es sieht beinahe aus wie meins.«
    Die Karte zeigte ein elegant gekleidetes Paar, das einander
die Hände reichte; der Mann trug einen großen Hut und einen Rock, sie ein langes goldenes Kleid. Über ihnen stand ein Engel mit Augenbinde auf einer Säule. In der Hand trug er Pfeile. »Die Pfeile … Sie haben einen anderen Winkel als auf meinen.« Sie sah auf. »Wo kommt das her?«
    »Ich habe es bei einem Zeichner gefunden. In der Gasse gegenüber der hohen Schule. Es gehört dir.«
    »Mir?«, fragte Madelin verblüfft. »Aber … aber das muss schrecklich viel Geld gekostet haben!«
    »Es ging. Er hat genommen, was er kriegen konnte.«
    »Hast du es etwa gestohlen?«, fragte sie und sah ihn prüfend an.
    Lucas zögerte. »Nicht direkt, nein. Ich habe dafür bezahlt.« Madelin senkte den Blick wieder auf die Karten. Das Gold und die Farben waren frisch aufgetragen und leuchteten wunderschön. Sie schüttelte widerwillig den Kopf. »Ich kann es nicht annehmen.«
    »Aber warum denn nicht?«
    »Ich könnte dir das niemals zurückzahlen«, erwiderte sie. »Du tust schon so viel für mich und die anderen. Das Wichtigste ist jetzt, dass du Franzl hilfst.«
    »Aber das würde ich doch auch so tun. Und du musst mir nichts zurückzahlen, ich …«
    »Ich bleibe nicht gerne jemandem etwas schuldig, Lucas«, sagte sie. »Besonders …«, sie verstummte.
    »Besonders was?«, fragte er und seine Stimme klang ein wenig verletzt. »Besonders mir?«
    Madelin nickte, doch

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