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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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– Mit ein wenig Geduld wird alles wieder gut!… Übrigens habe ich eine Beschäftigung für Sie bereit, das heißt, eine Ablenkung. Sie müssen die Wohnung wechseln, Frau Rhodes.
    – Wohnung wechseln?
    – Ja!… Sie werden sich in Liberia niederlassen.
    – In Liberia… Lieber Himmel, was soll ich denn dort?
    – Handel treiben, Frau Rhodes. Sie werden den bestgehendsten Verkaufsladen in Liberia besitzen, erstens – ein untrüglicher Beweis – weil kein zweiter existiert; zweitens, weil – wie ich sehr hoffe – Sie gute Geschäfte machen werden.
    – Verkaufsladen?… Geschäfte machen?… fragte Frau Rhodes immer mehr erstaunt; womit denn, Kawdjer?
    – Mit den Waren Harry Rhodes’! Sie haben doch gewiß nicht vergessen, daß Sie einen prächtigen Warenvorrat besitzen? Jetzt ist der Moment gekommen, ihn zu verwerten.
    – Wie!… sagte Frau Rhodes zögernd, Sie wollen, daß ich… ganz allein… ohne meinem Manne…
    – Ihre Kinder werden Sie schon unterstützen, unterbrach sie der Kawdjer, sie stehen in einem Alter, wo sie arbeiten können, und jetzt arbeitet alles in der Kolonie. Ich will keine Müßiggänger auf der Insel Hoste.«
    Die Stimme des Kawdjer hatte einen ernsteren Klang angenommen. Neben dem ratenden Freunde tauchte der befehlende Machthaber auf.
    »Tullia Ceroni und ihre Tochter, fuhr er fort, werden Ihnen auch an die Hand gehen, sobald Halg wieder ganz gesund ist… Sie haben kein Recht mehr, all diese nützlichen Gegenstände länger vorzuenthalten, die zum Besten der Kolonie Verwendung finden können.
    – Aber in diesen Waren steckt unser ganzes Vermögen, bemerkte Frau Rhodes, welche sehr bewegt schien. Was wird mein Mann dazu sagen, wenn ich auf diesem so schwankenden Boden all unser Hab und Gut aufs Spiel setze, in einem Lande, wo es mit der Sicherheit…
    – Sehr gut bestellt ist, fiel der Kawdjer ein. Sie dürfen mir glauben, Frau Rhodes: es gibt kein Land, wo für die Sicherheit besser gesorgt ist, mein Wort darauf.
    – Nun wohl, sagen Sie mir, was ich mit den Waren anfangen soll, fragte Frau Rhodes.
    – Sie werden dieselben verkaufen.
    – Wem?
    – Den Käufern natürlich.
    – Gibt es denn Käufer auf der Insel, und sind dieselben mit Geld versehen?
    – Zweifeln Sie daran? Sie wissen ja, daß jedermann bei der Abreise Geld besitzen mußte. Und jetzt verdient man auch Geld.
    – Wie, man verdient?… Hier auf der Insel Hoste?
    – Gewiß. Wenn man für die Kolonie arbeitet, welche die Leute anstellt und auch bezahlt.
    – So ist die Kolonie auch im Besitze von Geld?… Das ist mir neu… Das wußte ich nicht!
    – Die Kolonie besitzt nichts, aber sie verschafft sich Geld durch den Verkauf der Lebensmittel, die sie in Verwahrung hält. Das müssen Sie ja wissen, nachdem Sie Ihre Nahrung auch kaufen müssen!
    – Sie haben recht, sagte Frau Rhodes. Aber dabei handelt es sich doch nur um einen Tausch, wenn die Kolonisten das Geld, das sie durch ihre tägliche Arbeit verdienen, wieder auf ihre Ernährung verwenden müssen. Ich sehe nicht gut ein, wie sie dann neue Waren kaufen können.
    – Machen Sie sich deshalb keine Sorgen, Frau Rhodes. Ich habe die Preise bestimmt und es so eingerichtet, daß die Kolonisten kleine Ersparnisse machen können.
    – Und wer begleicht diese Differenz?
    – Ich, Frau Rhodes.
    – Sind Sie so reich, Kawdjer?
    – Es scheint so.«
    Frau Rhodes betrachtete den Sprecher ganz verblüfft. Dieser schien es aber nicht zu bemerken.
    »Ich erachte es als eine Sache von größter Wichtigkeit, sagte er ernst, daß Ihr Verkaufsladen in kürzester Zeit eröffnet werde.
    – Wenn Sie meinen, Kawdjer…« Frau Rhodes sagte es ohne alle Begeisterung.
    Fünf Tage später war der Wunsch des Kawdjer verwirklicht.
    Als am 20. November Karroly mit der Wel-kiej ankam, war der Bazar »Rhodes« schon in vollem Betrieb.
    Karroly war allein zurückgekommen und Harry Rhodes war in Punta-Arenas geblieben; etwas anderes wußte er auf die angstvollen Fragen der Frau Rhodes nicht zu erwidern, welche auch den Kawdjer vergebens um Erklärungen bat. Dieser beruhigte sie nur und gab ihr die Versicherung, daß sie keinen Grund zur Besorgnis habe, aber sich mit Geduld bewaffnen müsse, da Harry Rhodes’ Abwesenheit noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde.
    Karroly war ganz begeistert von dem veränderten Aussehen der Kolonie. Was war alles seit einem Monat geschehen! Liberia war nicht wieder zu erkennen! Nur sehr wenige Häuser waren auf ihrem alten Platz stehen geblieben. Die

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