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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mußte. Der arme Krüppel nahm übrigens dieses unabwendbare Unglück mit großer Seelenruhe auf. Die Natur hatte ihn mit Sanftmut begabt und er neigte so wenig zur Revolte, als Dick Anlage dazu besaß. Jetzt half ihm diese Sanftmut über vieles hinweg. Er bedauerte nicht, auf die tollen Spiele von einst verzichten zu müssen – er hatte mehr aus dem Grunde daran teilgenommen, anderen eine Freude zu bereiten, anstatt sich selbst zu belustigen. Dieses Leben eines Einsiedlers behagte ihm, würde ihm immer gefallen, wenn man ihm nur seine Geige ließ und sein Freund Dick in der Nähe war, wenn das Instrument einmal ausnahmsweise schwieg.
    Und er brauchte sich in dieser Beziehung nicht zu beklagen, Dick war stets als Krankenwärter zur Hand. Er hätte niemanden zugelassen, um Sand zu helfen, das Bett zu verlassen und den Armstuhl zu erreichen, auf dem dieser seine Tage verbrachte. Dann blieb er bei dem armen Krüppel, achtete auf den leisesten Wunsch, bewies eine unerschütterliche Geduld, deren ihn früher niemand für fähig gehalten hatte.
    Der Kawdjer beobachtete dies Treiben mit großer Rührung. Während der langen Krankheit der Kinder hatte er sie mit Muße studieren können und sie herzlich liebgewonnen. Aber Dick interessierte ihn lebhaft, abgesehen von der väterlichen Zuneigung, die er für ihn empfand. Tag für Tag hatte er beobachten können, welch treue Seele Dick war, welch ausgeprägtes Zartgefühl er zur Schau trug und welch lebhaften Verstand der Knabe zeigte; und bald beklagte er, daß so seltene Geistes-und Herzensgaben fruchtlos bleiben sollten.
    Von dieser Idee durchdrungen, beschloß er, dieses Kind zum Erben seiner Kenntnisse einzusetzen und ihn in die verschiedenen Zweige menschlicher Tätigkeit einzuweihen. Dasselbe hatte er für Halg getan. Aber bei Dick waren andere Resultate zu erwarten. Auf diesem durch eine lange Reihe zivilisierter Vorfahren begünstigten Erdreich würde der Same leichter Wurzel fassen, unter der einzigen Bedingung, daß Dick die außerordentlichen Gaben, mit denen ihn die Natur bedacht hatte, auch anwenden wollte.
    Gegen Ende des Winters hatte der Kawdjer mit der Rolle des Erziehers begonnen. Eines Tages nahm er Dick mit sich und sprach ihm zu Herzen:
    »Jetzt ist Sand geheilt, sagte er, als beide allein auf dem Felde standen, aber er wird sein Leben lang ein Krüppel bleiben. Du darfst nie vergessen, mein Kind, daß er dein Leben retten wollte und dabei seine Beine opferte.«
    Dick blickte den Kawdjer schon mit tränennassen Augen an. Warum sagte das der Gouverneur? Was er Sand verdankte, konnte er ja nie, nie vergessen.
    »Aber es steht dir ein Weg offen, ihm zu danken, nahm der Kawdjer wieder das Wort. Du mußt ein so guter Mensch werden, daß du dich dieses Opfers würdig zeigst, du mußt das Leben dir und den anderen nützlich machen. Bisher warst du ein Kind. Jetzt mußt du daran denken, ein Mann zu werden.«
    Dicks Augen strahlten; er verstand diese Sprache.
    »Was soll ich tun, Gouverneur? fragte er.
    – Arbeiten, antwortete der Kawdjer ernst. Wenn du mir versprichst, dir Mühe zu geben, fleißig zu sein, will ich selbst dein Lehrer sein. Die Wissenschaft ist eine neue Welt für dich und wir werden sie zusammen erforschen!
    – Ach!… Gouverneur«!… stammelte Dick, unfähig, ein anderes Wort hervorzubringen.
    Der Unterricht begann sogleich. Jeden Tag widmete der Kawdjer seinem Schüler eine Stunde. Dann lernte Dick bei Sand so fleißig, daß eine Fortschritte seinen Lehrer in Erstaunen setzten. Diese Stunden vollendeten in Dicks Wesen jene Umwandlung, die mit Sands Unglück begonnen hatte. Jetzt dachte er nicht mehr daran, »Löwe« oder »Restaurant« noch ein anderes Kinderspiel zu spielen. Das Kind war untergegangen im werdenden Manne, welcher durch den Schmerz frühreif geworden war.
    Das zweite wichtige Ereignis war die Hochzeit Halgs mit Graziella Ceroni. Halg zählte jetzt zweiundzwanzig Jahre und Graziella zwanzig.
    Diese Hochzeit war nicht die erste, die auf der Insel gefeiert worden war. Gleich bei seinem Regierungsantritt hatte der Kawdjer die Zivilehe eingeführt und diese Bestimmung hatte in den im heiratsfähigen Alter stehenden jungen Leuten den Wunsch rege gemacht, eigene Familien zu gründen.
    Aber die Ehe Halgs hatte in den Augen des Kawdjer besondere Bedeutung; sie war der Schlußstein eines Lebenswerkes; desjenigen, das während langer Zeit seinem Herzen am nächsten gestanden war. Der Wilde, den er in ein denkendes Wesen verwandelt hatte,

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