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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verlangen. Die Neugierde der Menge war, wenn sie auch einstmals rege gewesen, durch die Gewohnheit vieler Jahre abgestumpft, und man sagte sich mit Recht, daß man nichts anderes zu wissen brauchte als die Erinnerung an die unzähligen Dienste, die er dem Staate geleistet.
    Die vielen Sorgen der letzten neun Jahre lasteten schwer auf dem Kawdjer. Zwar hatte seine herkulische Kraft nicht abgenommen und die Beschwerden des Alters vermochten die hohe Gestalt nicht zu beugen; aber Haare und Bart waren schneeweiß geworden und tiefe Furchen durchzogen das edle Antlitz mit seinem majestätischen und schon verehrungswürdigen Aussehen.
    Seine Autorität war ganz unbeschränkt. Die Mitglieder des Rates, der auf seine Initiative hin ins Leben gerufen worden war, Harry Rhodes, Hartlepool und Germain Rivière, wurden jedes Jahr wiedergewählt, aber das war bloße Formsache und ihr Amt ein Scheinamt. Sie ließen ihrem Oberhaupt und Freunde vollkommen freie Hand und beschränkten ihre Tätigkeit darauf, bescheiden ihre Meinung zu äußern, wenn sie darum gebeten wurden.
    Übrigens hatte der Kawdjer Beispiele vor Augen, nach denen er sich richten konnte. In der nächsten Nachbarschaft der Insel Hoste wurden zwei verschiedene Methoden der Kolonisation in Anwendung gebracht. Er konnte nun Vergleiche ziehen und eventuell manches anwenden.
    Nachdem der Magalhães-Archipel und Patagonien zwischen Chile und Argentina aufgeteilt worden waren, hatte jeder der beiden Staaten auf eine rasche Verwertung der neuen Kolonien hingearbeitet. In ihrer Unkenntnis der Bodenverhältnisse, erteilte die Republik Argentina Konzessionen im Umfange von zehn bis zwölf Quadratmeilen, was zur Folge hatte, daß riesige Landstrecken brach liegen mußten und nicht ausgebeutet werden konnten. Man bedenke, daß diese dichtbewachsenen Wälder oft viertausend Bäume pro Hektar aufzuweisen hatten! Dreitausend Jahre mindestens wären erforderlich gewesen, sie ordentlich auszunützen. Dasselbe traf bei den Feldern und den Weideplätzen zu, die in zu großen Flächen verteilt wurden und, um richtig behandelt zu werden, ein zu großes Personal, eine Unmenge von Gerätschaften und bedeutende Kapitalien erfordert hätten.
    Und das war nicht alles. Die Kolonisten waren an den Verkehr mit Buenos-Aires gebunden und die Verbindungen waren langsam, schwierig und kostspielig. Jedes Schiff, das im Magalhães-Archipel seine Waren verkaufen wollte, mußte sich zuerst in Buenos-Aires, dies ist in einer Entfernung von eintausendfünfhundert Meilen, der Zollrevision unterziehen, und es verflossen mindestens sechs Monate, ehe es alle Verpflichtungen erfüllt hatte und zurückkehren konnte; Verpflichtungen, die es nach dem Tageskurs der Börse der Hauptstadt zu leisten hatte! Was konnte man aber auf dem Feuerland vom Tageskurs wissen? Hier konnte man mit demselben Recht von China oder Japan als von Buenos-Aires sprechen!
    Was hatte dagegen Chile getan, um den Handel zu begünstigen und Auswanderer anzuziehen, den gewagten Versuch mit der Insel Hoste nicht mitgerechnet! Es hatte Punta-Arenas zum Freihafen erklärt, wohin die Schiffe aller Länder das Notwendige und Überflüssige brachten, unter den denkbar besten Bedingungen, was den Preis und die Qualität der Waren betraf. Auch flossen die Produkte des Magalhães-Archipels in die englischen und chilenischen Kaufhäuser, die ihren Sitz in Punta-Arenas und längs der Wasserstraße weitere Zweigniederlassungen gegründet hatten, die in schönstem Aufblühen begriffen waren.
    Der Kawdjer beobachtete seit langem das Vorgehen der chilenischen Regierung und während seiner Ausflüge im Archipel konnte er konstatieren, daß alle Landesprodukte den Weg nach Punta-Arenas nahmen. Nach dem Vorbild dieser Niederlassung wurde auch Neudorf zum Freihafen erklärt und diese Maßnahme war die Ursache zu einem ungeahnten Aufschwung und der raschen Bereicherung der Insel Hoste.
    War es zu glauben? Die Republik Argentina, die Ushaia auf der feuerländischen Küste des Beagle-Kanales gründete, konnte sich nicht entschließen, dieses doppelte Vorbild nachzuahmen; und wenn man heute diese Stadt mit Liberia oder Punta-Arenas vergleicht, kann man nur einen Rückstand konstatieren, wegen der Schwierigkeiten, die die Regierung dem Handel in den Weg legt, wegen der Höhe der Einfuhrzölle, wegen der erschwerenden Formalitäten, mit denen man bei der Ausbeutung des natürlichen Reichtums des so ergiebigen Bodens zu rechnen hat, und wegen des Unwesens, das

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