Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Berufe finden konnte.
    Auch in politischer Hinsicht war die Lage die denkbar günstigste. Die Beziehungen der Insel Hoste mit der chilenischen Regierung waren ausgezeichnete. Chile konnte sich ein jedes Jahr mehr zu seiner Taktik Glück wünschen. Es erfreute sich moralischer und materieller Vorteile, die Argentina nie würde aufweisen können, solange es nicht seine Verwaltungsmethode änderte.
    Im Anfang hatte die Regierung von Santiago ein Gefühl der Besorgnis und Unzufriedenheit nicht unterdrücken können, als sie in Erfahrung brachte, daß der von Geheimnissen umgebene Mensch, dessen Anwesenheit auf dem Magalhães-Archipel schon ungerne gesehen wurde, letzt die Regierungsgeschäfte auf der Insel Hoste leitete. Es war aber eine platonische Unzufriedenheit.
    Auf dieser unabhängigen Insel war man machtlos, der Person des Kawdjer nachzuforschen, seine Herkunft festzustellen und von seiner Vergangenheit Rechenschaft zu fordern. Wenn dieser Mann seinerzeit den Zwang der Gesetze nicht ertragen konnte; wenn er sich auch in offener Rebellion gegen die geheiligte Autorität erhoben hatte; wenn er aus allen Ländern, die ein geordnetes Staatenwesen besaßen, vertrieben worden war – sein Benehmen ließ alle diese Hypothesen zu – und wenn er trotz allem auf der Neuen Insel geblieben wäre, dann wäre es den Nachforschungen der chilenischen Polizei nicht entgangen! Aber als man sah, wie die zielbewußte Autorität des Kawdjer nach der anarchistischen Bewegung die Ruhe auf der Insel wieder herzustellen wußte, als Handel und Gewerbe unter seiner Regierung aufblühten, der Wohlstand sich hob – ließ man ihn ruhig gewähren. Niemals hatte die leiseste Meinungsverschiedenheit zwischen dem Gouverneur der Insel Hoste und Punta-Arenas bestanden!
    So vergingen fünf Jahre in Frieden und Wohlstand. Drei weitere kleine Orte waren auf der Insel entstanden und wetteiferten in bescheidener Weise mit Liberia. Die eine auf der Halbinsel Dumas, die andere auf der Halbinsel Pasteur und die dritte am äußersten Westpunkt der Insel, am Darwin-Sund, gegenüber der Insel Gordon Der Kawdjer suchte sie oft auf gelegentlich seiner Ritte durch die Wälder und Ebenen.
    An der Küste hatten sich einige Yacana-Indianer mit ihren Familien niedergelassen und feuerländische Dörfer gegründet und so das Beispiel jener ersten Indianer nachgeahmt, die dem Kawdjer zuliebe mit ihren jahrhundertelangen Gewohnheiten, dem unsteten Nomadenleben gebrochen hatten, um sich in seiner Nähe, bei Neudorf, festzusetzen.
    Um diese Zeit, im Dezember des Jahres 1890, erhielt Liberia zum ersten Male den Besuch des Gouverneurs von Punta-Arenas, des Herrn Aguire. Dieser fand nur Worte der Bewunderung für diese strebsame Nation, die weisen Maßnahmen, die ihr zum Wohlstand verholfen hatten, für die ungetrübte Einigkeit, die dies Volk der verschiedensten Nationalitäten zusammenhielt, für die Ordnung und das Glück, in dem alle Familien zu leben schienen. Natürlich beobachtete er aufmerksam den Mann, welcher einer so schweren Aufgabe gerecht geworden war und der nur unter dem Namen »Kawdjer« gekannt sein wollte.
    Er überschüttete ihn mit Lobpreisungen und Komplimenten.
    »Diese hostelische Kolonie ist allein Ihr Werk, Herr Gouverneur, sagte er; Chile kann sich nur beglückwünschen, Ihnen zu einem solchen Feld der Tätigkeit verholfen zu haben!
    – Ein Vertrag, begnügte sich der Kawdjer zu antworten, hat diese Insel, die unabhängig war, der Herrschaft der chilenischen Regierung untertan gemacht. Es war nur gerecht, daß Chile ihr die Freiheit zurückerstattete.«
    Herr Aguire verstand sehr gut den versteckten Sinn dieser Worte. Der Kawdjer meinte, daß die Regierung von Chile kein Recht habe, irgendwelchen Dank zu beanspruchen.
    »Jedenfalls, sagte Herr Aguire vorsichtig, glaube ich nicht, daß die Schiffbrüchigen des »Jonathan« sich jemals nach der Delagoa-Bai gesehnt haben…
    – Gewiß nicht, Herr Gouverneur! Dort wären sie der portugiesischen Regierung untertan gewesen, hier sind sie frei und unabhängig.
    – Nun, so hat sich ja alles zum besten gewendet.
    – Ja, zum besten, sagte der Kawdjer.
    – Wir hoffen, meinte Herr Aguire höflich, daß die guten Beziehungen zwischen Chile und der Insel Hoste immer fortbestehen werden.
    – Auch wir hoffen das, sagte der Kawdjer. Und vielleicht wird Ihre Regierung, nachdem sie sich von dem günstigen Erfolg ihrer Taktik auf der Insel Hoste überzeugt hat, dieselbe Taktik auch bei anderen Inseln des

Weitere Kostenlose Bücher