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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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aufwerfen würde, daß er, der leidenschaftliche Verfechter der Freiheitsidee, sich zum Herrn über einen Teil des unendlichen Weltganzen aufspielte, das gemeinsames Eigentum der gesamten Menschheit ist? Der sich das Recht anmaßte, einem Menschen dieses Stück Welt zu verbieten? – Das alles hatte er getan und es hatte ihn erschüttert, aber er bedauerte nichts. Er war überzeugt, recht gehandelt zu haben.
    Die Verurteilung des Verräters war der Schlußstein zu einem denkwürdigen Abschnitt im Leben des hostelischen Staates; sie vollendete das Wunder, das mit dem Beginne des Kampfes gegen die Patagonier begonnen hatte. Zwar kostete dieses Abenteuer Neudorf, das in Schutt und Asche lag; aber doch war man billig davongekommen, wenn man der wichtigen Veränderung Rechnung trug, die sich an den Emigranten vollzogen hatte. Die große Gefahr, die alle gleich bedroht hatte, die gemeinsam ertragenen Beschwerden, die aufreibende Abwehr hatten ein neues Band zwischen den Leuten geschaffen, von dessen Stärke sie sich selbst keine Rechenschaft ablegten. Vor dieser Kette von Ereignissen war die Insel Hoste eine Kolonie, in der Menschen von vielleicht zwanzig verschiedenen Nationalitäten nebeneinander lebten. Jetzt gab es keine Kolonisten mehr, sondern Hostelianer, welche ein Vaterland besaßen – ihre Insel Hoste.
Zehntes Kapitel.
Fünf Jahre später.
    Fünf Jahre nach den Begebenheiten, die in den letzten Kapiteln erzählt worden sind, bot die Schiffahrt in den Breiten der Insel Hoste weder die Schwierigkeiten noch die Gefahren von ehemals. Von der äußersten Spitze der Halbinsel Hardy erstrahlte ein weithin leuchtender Schein über die dunklen Gewässer, der von keinem kleinen Feuer herrührte, wie es in den Lagerplätzen der Indianer brennt, sondern von einem richtigen stattlichen Leuchtturm, der die Meeresstraßen während der langen finsteren Winternächte erhellte und es den Schiffen ermöglichte, den gefährlichen Klippen rechtzeitig auszuweichen.
    Dagegen war derjenige, welcher nach dem Lieblingsprojekte des Kawdjer am Kap Hoorn errichtet werden sollte, noch nicht in Angriff genommen worden. Seit sechs Jahren verfolgte er die Lösung dieser Angelegenheit mit unermüdlicher Ausdauer, ohne einen befriedigenden Abschluß erreicht zu haben. Nach den zwischen beiden Staaten ausgetauschten Noten schien sich Chile nicht entschließen zu können, auf das Inselchen des Kaps zu verzichten, und diese durch den Kawdjer bestimmte Hauptbedingung blieb der Stein des Anstoßes.
    Dieser wunderte sich sehr, daß die Regierung von Chile einem kahlen, wertlosen Felsen soviel Bedeutung beilegte. Er wäre noch mehr erstaunt gewesen, hätte er die Wahrheit ahnen können; der Grund der gewaltsam in die Länge gezogenen Verhandlungen war nicht in patriotischen Bedenken, die ja zu entschuldigen gewesen wären, zu suchen, sondern einfach und allein in der sprichwörtlich gewordenen Langsamkeit der Beamten.
    Die chilenischen Amtslokale machten es in dieser Sache wie alle anderen in der Welt. Die Diplomatie hat es sich nun einmal zum Grundsatz gemacht, alles nach Möglichkeit in die Länge zu ziehen; es ist dies ein durch die Gewohnheit von Jahrhunderten geheiligter Brauch: erstens weil der Mensch sich meistens für die Interessen anderer wenig interessiert und weil er zweitens von Natur aus das Bestreben hat, die Würde, die er bekleidet, in den Augen der anderen möglichst zu erhöhen. Nun wird aber eine Entscheidung desto gewichtiger erscheinen, je länger die Dauer der Verhandlungen war, die ihr vorangingen, je größer die beschriebenen Papierstöße sind, je mehr Tinte geflossen ist, ehe sie gefällt wurde.
    Der Kawdjer, der allein die hostelische Regierungsgewalt repräsentierte und kein Heer von Beamten zur Verfügung hatte, konnte daher diesem sich in die Länge ziehenden Notenwechsel nicht das einzig richtige Motiv unterschieben.
    Aber das Leuchtfeuer der Halbinsel Hardy war nicht der einzige Lichtschein auf der Insel, der das Meer bestrahlte. In Neudorf, das aus den Trümmern längst schon mit dreifacher Bedeutung auferstanden war, flammte allnächtlich ein mächtiges Hafenfeuer auf und half den Schiffen den richtigen Ankerplatz am Damm finden.
    Dieser Damm, der längst vollendet war, hatte die Bucht in einen geräumigen, sicheren Hafen umgewandelt. In seinem Schutze konnten die Schiffe in ruhigem Wasser ihre Ladungen ausschiffen und einnehmen. Neudorf war bereits ein vielbesuchter Ankerplatz geworden. Nach und nach hatten sich

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