Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Zwölfhundert Piaster waren es nicht gewesen, wie ihm diese Schurken zugesichert hatten, aber neunhundert sicher, vielleicht auch tausend. Wer hatte ihm sein Geld gestohlen? Die Patagonier? Vielleicht! Aber wahrscheinlicher seine Kerkermeister.
Welch finstere Rachegedanken, welch glühender Haß die Seele Pattersons erfüllte! Indianer und Kolonisten, Rote wie Weiße, sie waren alle Diebe und Feiglinge und er verachtete sie aus tiefster Seele.
Von nun an kannte er keine ruhige Minute mehr. Nur seinem Hasse lebend, harrte er in angstvoller, fieberhafter Erwartung auf den Augenblick, wo er die Wahrheit erfahren würde. Aber diejenigen, die ihn gefangen hielten, kümmerten sich nicht um seine ohnmächtige Wut. Tag um Tag verging, ohne daß seine Lage sich verändert hätte. Man schien ihn vergessen zu haben.
Erst eine Woche nach seiner Gefangennahme, am 31. Dezember, wurde er unter der Aufsicht von vier Männern aus seinem Kerker geführt. Jetzt endlich mußte ihm Gewißheit werden!… Als aber Patterson auf dem Platz vor dem Regierungsgebäude erschien, blieb er erschrocken stehen.
Welch ein Anblick bot sich ihm dar! Der Kawdjer wollte das Urteil, das gegen den Vaterlandsverräter gefällt werden mußte, mit einer gewissen Feierlichkeit umgeben. Die Tatsachen hatten ihm bewiesen, welche Kraft das Übereinstimmen der Gefühle und Interessen für eine Gemeinsamkeit bedeutet! Hätten die Patagonier so leicht zum Rückzug gezwungen werden können, wenn jeder der Kolonisten, anstatt sich den allgemein ausgegebenen Befehlen zu fügen, nach eigenem Gutdünken Verteidigungsmaßregeln angewandt hätte? Jetzt suchte er dem aufkeimenden Solidaritätsgefühl neue Nahrung zuzuführen, indem er das gegen den Staat geplante Verbrechen mit einem gewissen Gepränge brandmarkte. Vor dem Regierungsgebäude war eine Estrade errichtet, auf der der Kawdjer, die drei Mitglieder des Rates und der Richter, Ferdinand Beauval, Platz genommen hatten. Zu Füßen der Estrade war der Platz des Angeklagten und hinter rasch aufgerichteten Schranken stand die gesamte Bevölkerung von Liberia.
Bei Pattersons Erscheinen entriß sich ein Schrei der Entrüstung diesen hundert Kehlen. Der Kawdjer gebot durch eine Handbewegung Schweigen und es begann das Verhör.
Der Irländer konnte leugnen, soviel er wollte, leicht wurde, er der Lüge überwiesen. Der Kawdjer zählte alle Anklagepunkte der Reihe nach auf.
Erstens die Anwesenheit Sirdeys bei den Patagoniern. Daran war nicht zu zweifeln; man hatte ihn gesehen und außerdem hatten die ob ihres Mißerfolges rasenden Indianer seinen abgeschlagenen Kopf als Rachetrophäe an der Küste aufgepflanzt.
Bei der Nachricht von dem Tode seines Mitschuldigen erschrak Patterson heftig; – dieser schreckliche Tod schien ihm von übler Vorbedeutung für sein eigenes Schicksal zu sein.
Der Kawdjer fuhr in seiner Darstellung fort. Sirdey hielt es nicht nur mit den Patagoniern, er hatte mit Patterson Beziehungen angeknüpft und infolge eines zwischen ihnen abgeschlossenen Handels hatte Patterson sich auf seinen Besitz zurückgezogen, seinen Zaun ausgebessert und Hartlepool um die Wache an dieser Stelle gebeten. Den Beweis für dieses verbrecherische Eingeständnis hatten die Patagonier selbst geliefert, weil sie eben an dieser Stelle eingebrochen waren und das bei Patterson gefundene Geld erbrachte den deutlichsten Beweis. Konnte er sich über den Besitz dieses Geldes ausweisen, nachdem er nach eigenem Geständnis erklärt hatte, sein gesamtes Vermögen verloren zu haben?
Patterson senkte den Kopf, er gab sich verloren. Nach beendetem Verhör beriet das Gericht und dann sprach der Kawdjer das Urteil. Das Eigentum des Schuldigen wurde konfisziert. Seine Felder sowohl wie auch die Geldsumme, die der Preis seines Verrates war, fielen dem Staate anheim. Außerdem ward Patterson auf Lebenszeit verbannt; das Betreten der Insel war ihm auf ewige Zeiten verboten.
Das Urteil wurde sogleich vollzogen. Der Irländer wurde zum Hafen gebracht, wo ein Schiff segelbereit lag. Bis zum Moment der Abreise war er Gefangener und seine Füße wurden durch Eisenketten gefesselt, die ihm erst abgenommen werden durften, wenn das Schiff sich außer Sehweite der Insel befand.
Während sich die Menge verlief, zog sich der Kawdjer ins Regierungsgebäude zurück. Er suchte das Alleinsein, seine tieferregte Seele bedurfte der Ruhe. Wer hätte je gedacht, daß er, der wilde Kämpfer für die Gleichberechtigung, sich jetzt zum Richter anderer
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