Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
denn der allgemeine Wohlstand hatte allen Familien ermöglicht, sich gut gegen Kälte zu verwahren. Es gab keinen Mangel mehr auf der Insel Hoste und Verbrechen, an Personen oder Sachen verübt, hatten nie die öffentliche Ordnung gestört. Kleine Meinungsverschiedenheiten machten die Leute gewöhnlich untereinander aus, sie kamen gar nicht vor Gericht.
Keine Gefahr würde die Insel bedroht haben, wäre nicht das Gold entdeckt worden: das konnte zu ernsten Folgen führen, denn die Habgier der Menschen ist groß.
Und der Kawdjer hatte sich nicht geirrt. Die erste Nachricht hatte ihn mit finsteren Vorahnungen erfüllt und bei weiterem Nachdenken verdüsterten sie sich noch Bei der nächsten Ratsversammlung verbarg er seine Befürchtungen nicht länger.
»Gerade jetzt, sagte er, wo unser Werk so schön vollendet ist, wo wir nur mehr die Früchte unserer Mühen zu ernten hätten, muß ein verdammungswürdiger Zufall diesen Gärungsstoff finden lassen, der Zwistigkeiten und den Ruin herbeiführen wird!
– Unser Freund geht zu weit, sagte Harry Rhodes, welcher die Sache mit weniger pessimistischen Blicken betrachtete. Daß Zwistigkeiten entstehen werden, gebe ich zu, aber bis zum Ruin ist’s noch weit!…
– Ja, es wird uns ruinieren, behauptete der Kawdjer; jede Entdeckung von goldhaltigem Gestein hat zum Ruin des betreffenden Landes geführt!
– Aber das Gold ist schließlich nur eine Ware wie jede andere, sagte Harry Rhodes.
– Die unnützeste von allen.
– Gar nicht! Die allernützlichste, nachdem man alles andere für Gold eintauschen kann!
– Was liegt daran, sagte der Kawdjer erregt, wenn so viel geopfert werden muß, um es zu erlangen. Die meisten Goldsucher gehen elend zugrunde. Und wenn einer einmal vom Glück begünstigt wird, zerstört die Leichtigkeit seines Erfolges auf immer sein klares Urteil. Sie finden an leicht zu erreichenden Vergnügungen Gefallen, der Überfluß wird ihnen zur Notwendigkeit, und wenn sie durch solche materielle Freuden verweichlicht sind, sind sie jeden ernsten Aufraffens unfähig. Im gewöhnlichen Sinne des Wortes mögen sie sich ja bereichert haben, aber nach wirklicher menschlicher Bedeutung sind sie verarmt. Das sind keine Menschen mehr!
– Ich stimme mit dem Kawdjer überein, sagte Germain Rivière. Man muß auch bedenken, daß man auf keine Ernte rechnen kann, wenn man die Felder im Stiche läßt. Was nützt der Reichtum, wenn man verhungert! Auch ich fürchte, unsere Bevölkerung wird der Versuchung nicht widerstehen können. Fast glaube ich, die Landleute werden den Acker, die Arbeiter die Fabriken verlassen, um sich am Gold schneller bereichern zu wollen und zu den Placers zu eilen.
– Gold!… Gold! Der Goldhunger! wiederholte der Kawdjer. Keine schlimmere Strafe konnte unser Vaterland treffen!«
Harry Rhodes war nun doch bekehrt.
»Angenommen, daß Sie recht haben, sagte er, liegt es nicht in unserer Macht, das Übel zu bekämpfen?
– Nein, mein lieber Rhodes, antwortete der Kawdjer; man kann gegen eine Epidemie ankämpfen, aber gegen das Goldfieber gibt es keine Rettung. Das ist das sicherste Zerstörungsmittel für jede Organisation. Kann man daran noch zweifeln, wenn man überdenkt, was sich in den goldführenden Distrikten der Alten und Neuen Welt, Australiens, Kaliforniens und Südamerikas abgespielt hat? Die notwendigen Arbeiten sind aufgegeben worden, die Kolonisten haben Städte und Felder verlassen und die Familien sind an die Placers gezogen. Das vorgefundene Gold hat man dann verschleudert, wie es bei jedem zu leichten Gewinn der Fall ist, und nichts ist diesen unglücklichen Betörten zum Schluß übrig geblieben.«
Der Kawdjer sprach mit großer Lebhaftigkeit, die bewies, wie sehr ihm das Thema am Herzen lag.
»Und dann lauert die Gefahr nicht nur von innen, sondern auch von außen: alle Abenteurer, alle degenerierten Existenzen, welche die Goldländer überfallen und Unfrieden stiften und zu Tätlichkeiten greifen – alles, um den Eingeweiden der Erde das gelbe Metall zu entreißen. Von allen Teilen der Welt kommen sie herbei, lawinengleich, die hinter sich die Zerstörung, das Nichts lassen Ach! Warum muß auch unsere Insel dies alles durchmachen!
– Können wir gar nicht mehr hoffen? fragte Harry Rhodes sehr bewegt. Wenn sich die Nachricht nicht verbreitet, würden wir vor einer Invasion bewahrt.
– Nein, sagte der Kawdjer, es ist zu spät, um das Übel zu verhüten. Man ahnt ja nicht, wie unendlich schnell sich die Kunde von
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