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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ihre Einigkeit gewahrt. Niemand wollte einen dritten nutzlosen Versuch wagen. Außer wenigen Kolonisten, welche besonderes Glück gehabt, waren alle anderen ruiniert und mit untergrabener Gesundheit und zerstörter Zukunft zurückgekommen.
    Aber auf diesen bescheidenen, in den Placers erworbenen Vermögen ruhte kein Glück; gewöhnlich wurden sie von den Gewinnern bald verschleudert in den Spielhöllen und Schenken, wo sich Revolverschüsse und rohe Flüche abwechselten. »Wie gewonnen, so zerronnen,« könnte man hier sagen. Alle sahen ihre Torheit ein und keiner wollte sie ein zweites Mal begehen.
    Der Kawdjer verfügte demnach über die gesamte Bürgergarde. Tausend wohldisziplinierte Männer bedeuteten eine Macht und obwohl ihnen die Gegner zwanzigmal überlegen waren, zweifelte er nicht an seinem Siege.
    Noch einige Tage Geduld waren nötig, um den durch den Schnee erweichten Straßen etwas Zeit zum Austrocknen zu geben und dann sollte die hostelische Streitmacht die Insel von den Abenteurern säubern.
    Aber diese kamen dem Kawdjer zuvor. Sie führten das tragische Ende herbei, das das Schicksal der Insel besiegelte.
    Am 3. November – die Wege waren noch Moräste zu nennen, berichteten vom Lande hereinfliehende Hostelianer, daß eine Truppe von tausend Goldsuchern auf die Stadt zu marschiere.
    Sie wußten nichts über die Absichten dieser Truppe zu berichten, aber friedlicher Natur mochten sie nicht sein, das konnte man aus ihrer Bewaffnung und ihren Drohreden erkennen.
    Der Kawdjer traf seine Anordnungen. Die Bürgergarde versammelte sich vor dem Regierungspalaste und sperrte alle Zugänge zum Platze ab. Dann wartete man auf das Kommende.
    Die angesagte Truppe erreichte Liberia am Abend. Das Echo ihrer Schreie und wilden Gesänge eilte ihr voraus. Die Goldgräber, welche die Liberier zu überrumpeln gehofft, waren ihrerseits unangenehm überrascht, die hostelische Bürgergarde in Schlachtordnung aufgestellt zu sehen, was ihren Wagemut etwas herabdämpfte. Bestürzt blieben sie stehen… Anstatt unversehens hereinzufallen, mußte jetzt verhandelt werden.
    Zuerst beratschlagten sie unter vielem Geschrei und Gestikulationen, dann meldeten sich die Wortführer bei Hartlepool und bedeuteten ihm, daß sie mit dem Kawdjer zu sprechen hätten. Ihrem Ersuchen wurde Folge geleistet, der Kawdjer wollte zehn Abgesandte hören.
    Diese zehn Abgesandten mußten aber erst gewählt werden und das bedingte wieder viel Streit und Geschrei. Endlich traten sie vor die Front der Bürgerreihen, die sich öffnete, um sie durchzulassen. Jede Bewegung, die Hartlepool kommandierte, wurde mit bewunderungswerter Präzision ausgeführt. Geschulte Soldaten hätten es nicht besser machen können. Die Delegierten wurden dadurch sehr impressioniert, besonders, als nach einem neuen Befehlsworte die Bürgergarde ihre Reihen hinter ihnen schloß.
    In der Mitte des Platzes stand der Kawdjer, in dem von den Truppen freigelassenen Raum. Während die Abgesandten auf ihn zuschritten, konnte man sie mit Muße betrachten. Vertrauenswürdig war ihr Aussehen nicht! Sie waren groß, hatten breite Schultern und schienen kräftig, obwohl die Schrecknisse des Winters sie abgemagert hatten. Meist waren sie in Leder gekleidet, das mit einer dicken Schmutzschicht bedeckt war; Haar und Bart waren verwirrt und ungepflegt und verliehen ihren Gesichtern das Aussehen wilder Tiere. In ihren Augen blitzte die Schlauheit des Luchses und sie ballten die Hände, als sie vorwärtsschritten.
    Der Kawdjer stand unbeweglich da und trat keinen Schritt vor; als sie bei ihm angelangt waren, wartete er ohne eine Frage zu stellen ab, daß sie ihm ihr Anliegen vorbrächten.
    Aber die Abenteurer sprachen nicht gleich. Instinktiv hatten sie ihre Kopfbedeckungen vor dem Kawdjer abgenommen und, im Halbkreis um ihn stehend, rückten sie verlegen von einem Bein auf das andere. Ihr wildes Aussehen war nur ein Schein, im Gegenteil schienen sie in Wirklichkeit wie Kinder, die mit ihrer kleinen Person nichts anzufangen wußten, sobald sie sich von den Kameraden getrennt fühlten, isoliert auf dem großen Platz standen vor dem Manne, der sie um Haupteslänge überragte und dessen majestätisches Aussehen ihnen imponierte.
    Endlich wurden sie ihrer Verwirrung Herr und fanden den Gebrauch der Zunge wieder. Einer nahm das Wort:
    »Gouverneur, sagte er, wir kommen im Namen unserer Kameraden«…
    Der Redner hielt ganz verschüchtert inne; der Kawdjer half ihm nicht, den Faden seiner Rede

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