Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Abenteurer, die dem Manöver einen ganz falschen Beweggrund unterschoben, stießen ein Siegesgeheul aus.
Der durch das Zurückweichen der Hostelianer frei gewordene Platz wurde sogleich von vordrängenden Abenteurern besetzt, doch sie begriffen bald ihren Irrtum. Noch waren sie nicht Sieger! Immer noch versperrte ihnen die Bürgergarde den Weg. Wenn auch die sechstausend Mann genau so unbeweglich dastanden wie ihre Anführer, so führten sie doch den Rachestrahl in ihrer Hand. Ihre tausend Gewehre amerikanischer Konstruktion waren den Goldsuchern bekannt. Ein Magazin lieferte den Schützen noch sieben Patronen, mit denen in weniger als einer Minute siebentausend Schüsse abgegeben werden konnten und die aus allernächster Nähe treffen mußten. Das hätten die Tapferen überlegen sollen.
Aber ihr Geisteszustand ließ ihnen keine ruhige Überlegung zu. Sie regten sich gegenseitig immer mehr auf. Ihre große Kopfzahl erfüllte sie mit Mut und sie fürchteten nicht mehr die vor ihnen stehende Truppe, deren Unbeweglichkeit sie für Schwäche nahmen. Und es kam der Moment, wo sie aller Vernunft beraubt wurden.
Das Schauspiel war packend! Im Umkreis des Platzes die heulende, tobende Menge, die tausend Fäuste drohend erhob und abertausend Lästerungen ausstieß. Dreißig Meter vor ihnen, längs der Fassade des Regierungspalastes, die Truppe des Kawdjer in bester Ordnung, mit der Unbeweglichkeit von Statuen. Hinter diesen Leuten stand der Kawdjer allein, auf der letzten Stufe, die zu dem Gebäude emporführte, welcher alles mit sorgenvollem Blick umfaßte und nach einem Mittel suchte, den Zwiespalt auf friedliche Weise zu schlichten.
Um ein Uhr mittags wurde das Toben ärger; direkte Schimpfworte wurden herübergeschleudert. Die Hostelianer antworteten nicht darauf.
In der ersten Reihe der Schimpfenden erblickten sie ein bekanntes Gesicht. Die Abenteurer hatten Kennedy vorgestoßen, dessen ausrüherische Reden und Ratschläge großen Einfluß auf ihren Entschluß gehabt hatten. Er hatte sie über das Gesetz betreffs der Wahl eines Gouverneurs aufgeklärt, er hatte ihnen geraten, das Wahlrecht und die Beteiligung an den Wahlen auf der Insel zu fordern, und er hatte ihnen versichert, daß der Kawdjer von allen werde verlassen werden und er ihnen nichts verweigern könnte.
Die Wirklichkeit zeigte sich in einer anderen Beleuchtung. Sie stießen sich an tausend Gewehren und es erschien ihnen gerecht, daß derjenige, der sie in diese Klemme gebracht hatte, auch an allen Gefahren teilnehmen sollte.
Das paßte dem einstigen Matrosen, welcher durch andere sich rächen wollte, gar nicht recht. Er hatte nicht mehr das Auftreten eines Nabob. Bleich und zitternd stand er da und fühlte sich gar nicht wohl. Die Menge verlor den Kopf immer mehr und mehr. Die Schimpfworte genügten nicht, man schritt zu Tätlichkeiten. Steine wurden auf die Hostelianer geschleudert und die Sache wurde immer kritischer.
Während einer vollen Stunde dauerte dieser verderbenbringende Regen an. Mehrere Leute wurden verwundet und zwei oder drei mußten den Platz verlassen. Ein Stein traf den Kawdjer an die Stirne. Er wankte, richtete sich aber mit einer energischen Anstrengung wieder auf, wischte ruhig das hervorsickernde Blut ab und nahm seinen Beobachterposten wieder ein.
Nach einer Stunde gaben die Angreifer diese anstrengende Übung auf, sie führte zu nichts Die Projektile fielen seltener herüber, als plötzlich ein lauter Aufschrei durch die Reihen der Aufrührer ging! Was war geschehen? Der Kawdjer hob sich auf die Fußspitzen, um zu sehen, was in den benachbarten Straßen vor sich gehen mochte. Er konnte nichts bemerken Weiter nach rückwärts schien das Wogen der Menge noch bedeutender zu sein, aber mehr war nicht zu unterscheiden.
Bald sollte alles klar werden. Einige Minuten später brachen sich drei herkulisch gebaute Goldsucher mit Ellbogenstößen Bahn durch die dichtgedrängte Menge und pflanzten sich vor der ersten Reihe ihrer Genossen auf, als ob sie beweisen wollten, daß sie die feindlichen Kugeln nicht fürchteten. Und wirklich, sie brauchten sie nicht mehr zu fürchten! Denn sie trugen vor sich Geiseln her, die als lebende Schilder dienten und sie vor den Kugeln beschützten.
Die Angreifer hatten eine teuflische Idee zur Ausführung gebracht. Sie hatten die Türe eines Hauses gesprengt und sich der Bewohner bemächtigt; es waren zwei junge Frauen, die es mit einem Kinde allein bewohnten; der Mann der einen Frau war während des
Weitere Kostenlose Bücher