Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
mußte meine ganze Autorität einsetzen und ihm mein Wort geben, daß wir hierher zurückkehren würden. Da die Familie Ceroni auf der Insel Hoste bleibt, erleichtert dies die Sache sehr. Ein Hindernis bilden nur die bösen Gewohnheiten Lazares. Es ist zu hoffen, daß er sich bessert, sobald sein Alkoholvorrat erschöpft sein wird.«
Halg hatte indessen – ahnungslos, daß das Gespräch sich um seine Person drehte – seinen Vater als Wache bei der Wel-kiej zurückgelassen und sich beeilt, Graziella zu begrüßen. Wie groß war die beiderseitige Freude, sich nach der langen Trennung wiederzusehen. Aber bald wich die Freude großer Traurigkeit. Graziella erzählte dem jungen Indianer die neuerlichen Verirrungen ihres Vaters und die bösen Zeiten, die ihre Mutter und sie durchgemacht hatten. Zu allem Elend kamen noch die hinterlistigen Annäherungsversuche Pattersons und die brutale Verfolgung von seiten Sirks. Sie konnte auch nicht einen Schritt außer Haus gehen, ohne sich den Frechheiten dieses rohen Menschen auszusetzen. Halg hörte sie an, bebend vor innerlicher Entrüstung.
In einem Winkel der Hütte verschlief Lazare Ceroni seinen letzten Rausch unter lautem Schnarchen. Es war umsonst, sich Illusionen hingeben zu wollen. Kaum erwacht, wurde er abermals eine Beute seines Lasters, mischte sich neuerdings unter die Zechenden, welche in einem nicht enden wollenden Festjubel schwelgten.
Aber schon änderte diese Feststimmung ihren Charakter. Die Aufregung zeigte nicht mehr den unschuldigen, kindlichen Charakter des ersten Tages. Der Alkohol waltete seines Amtes; viele Gesichter trugen bereits einen bösartigen Ausdruck zur Schau. Die Depression, die jeder Rausch nach sich zurückließ, ließ sich nur durch stets größere Dosen bannen und den anfänglichen leichten berauschenden Wirkungen folgte bald ein schwerer betäubender Rausch; wurde dann die Ration noch vergrößert, dann war das Stadium der Raserei erreicht.
Einige fühlten die Gefahr und zogen sich zurück. Alsogleich trat der gesunde Menschenverstand in seine Rechte und sie dachten über ihre Existenz auf der Insel Hoste ernstlich nach.
Es war ein schwieriges, aber nicht unlösliches Problem. Dank ihrer Flächenausdehnung von zweihundert Quadratkilometern, ihres größtenteils anbaufähigen Bodens, ihrer Wälder und Weideplätze, hätte die Insel leicht eine bedeutend größere Menschenanzahl ernähren können; aber dann durfte man nicht für ewige Zeiten festgebannt an der Scotchwell-Bai sitzen bleiben, sondern mußte sich über das Binnenland zerstreuen. Die notwendigen Ackergeräte waren in genügender Anzahl mitgenommen, auch Samen gab es übergenug und alles zur Gründung einer Landwirtschaft notwendige Material war vorhanden. Auch war die Mehrzahl der Emigranten mit der Feldarbeit wohlvertraut. Was wäre für sie natürlicher gewesen, als sich in dem neuen Vaterland in dieser Richtung zu beschäftigen, so wie sie es in der alten Heimat getan.
Freilich waren die Haustiere in ungenügender Anzahl vertreten, aber durch die Bemühung der chilenischen Regierung sollten dieselben aus Patagonien, den argentinischen Pampas, der ausgedehnten Ebene des Feuerlands und auch von den Falklands Inseln eintreffen; die letzteren waren durch ihre auf hoher Stufe stehende Schafzucht berühmt. Im Prinzip war alles einem guten Erfolg dieses ersten Kolonisationsversuches günstig, aber die Ansiedler mußten sich eben tapfer rühren, um etwas zu erreichen.
Eine kleine Anzahl der Emigranten hatte eingesehen, wie nötig die augenblickliche Inangriffnahme der Arbeit seit der Unabhängigkeitserklärung war. Diese wenigen – unter ihnen Patterson – waren nach der Verteilung des Alkohols zu den Vorräten zurückgekehrt, wo jeder unter den zur allgemeinen Verfügung stehenden Dingen eine wohlüberlegte Wahl traf, jeder mit Rücksicht auf das Projekt, das er auszuführen gedachte, für das er sich entschieden hatte: der eine für Anbau, der andere für Viehzucht, ein dritter für den Waldbetrieb usw. Dann hatten sie sich vor rasch improvisierten Karren gespannt und mit den eroberten Schätzen ein ihren Plänen günstiges Terrain gesucht.
Patterson blieb am Ufer des Flusses. Durch Long und Blaker unterstützt (welcher trotz der traurigen Erfahrung, die er gemacht hatte, darauf bestand, bei ihm zu bleiben), begann er damit, sein kleines Reich, von dem er gleich anfangs so energisch Besitz ergriffen hatte, abzuschließen. Bald umgab ein aus festen Pfählen gebildeter Zaun
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