Die Schiffe der Kleopatra
vorgestellt zu werden. Dann werde ich mich endlich unter meinesgleichen fühlen.« Die Frau besaß wirklich eine phänomenale Gabe für Schmeicheleien.
»Ich würde Euch einladen, bei uns zu wohnen, wenn Ihr in Rom seid«, erklärte Julia ihr betrübt, »aber unser Haus ist viel zu bescheiden. Das Haus meines Vaters ist schon sehr viel prachtvoller, doch Ihr müsst unbedingt im Haus meines Onkels wohnen. Wenn er sich in Rom aufhält, lebt er im großen Domus Publica. Das gehört eigentlich dem Staat, aber als Pontifex Maximus hat er ein Wohnrecht auf Lebenszeit und stellt es stets den zu Besuch weilenden ausländischen Würdenträgern und königlichen Hoheiten zur Verfügung.«
»Ach ja, der große Julius Caesar ist dein Onkel, nicht wahr?« säuselte Kleopatra. »Du musst mir unbedingt alles über ihn erzählen. Die ganze Welt ist von Caesar fasziniert.« Und schon war sie an der Angel.
Ich lauschte ihrem Gespräch nur mit halbem Ohr und widmete mich genußvoll dem herrlichen Mittagessen, das aufgetragen wurde. Während ich die Köstlichkeiten verputzte, blickte ich auf das offene Wasser jenseits der Hafenmole. Dort draußen drillte Milo meine Mannschaften. Er ließ sie kurze Sprints durchziehen, und ich hätte schwören können, dass ich eines der Schiffe einmal unter voller Ruderkraft aus dem Wasser hüpfen sah wie ein Fisch, der von einem Hai gejagt wird. Und ich hatte gedacht, ich hätte sie gut in Schuss gebracht.
Wie stets, wenn ich ein derartiges Phänomen beobachtete, fragte ich mich, wie es kam, dass ein Mann andere Männer zu solchem Gehorsam inspirieren konnte, während ich zum Beispiel nicht dergleichen vermochte. Wie konnte ein langhaariger Zwerg wie Alexander seine Männer dazu bewegen, ihm bis nach Indien zu folgen? Wie konnte Hannibal, Sproß einer Nation von Händlern, eine polyglotte Horde von Galliern, Spaniern, Afrikanern und anderen zu einer Armee zusammen schweißen, die regelmäßig größere römische Streitmachten besiegte? Und wie konnte er sie zwanzig Jahre lang ohne auch nur den Hauch einer Meuterei zusammen halten? Ich hatte es nie begreifen können. Doch auf seine Art war Titus Milo so einzigartig wie Caesar, dessen Befehle die Männer fast freudig befolgten und für den sie jederzeit durchs Feuer gehen würden. Er war einer der wenigen Männer, die gleichzeitig Furcht und Liebe bei seinen Untergebenen wecken konnten. Was immer es war, ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Schon Milos bloße Anwesenheit war eine enorme Erleichterung. Sie bedeutete, dass ich meine maritimen Pflichten einem der wenigen Menschen auf der Welt anvertrauen konnte, denen ich vorbehaltlos vertraute. Es bedeutete außerdem, dass ich meine Aufmerksamkeit darauf konzentrieren konnte, den Mörder von Silvanus zu finden. Ich war sicher, dass ich auf diesem Weg auch erfahren würde, wer von der aufflackernden Piraterie im Osten profitierte.
Die Sänfte war ein wenig größer als die in Rom gebräuchlichen, weil die römischen Straßen so eng waren, dass angemessen geräumige Gefährte nicht praktikabel waren. Die Sänftenträger verstanden ihr Geschäft, so dass wir, zwar gebremst durch die Menschenmassen auf den Straßen, aber höchst angenehm zu Nobiliors Haus gelangten. Julia und ich hatten nach dem Empfang bei Kleopatra am Nachmittag ein Nickerchen gehalten und waren nun bereit für abendliche Unterhaltung und Intrigen.
Julia hatte Kleopatra über Flavia ausgehorcht, die die Prinzessin als eine »unmögliche, aber ungemein unterhaltsame Frau« beschrieben hatte. Außerdem hatte meine kluge Gattin eine Menge über Kleopatras Mission auf Zypern erfahren. Wie sich herausstellte, war Ptolemaios nur knapp einem versuchten Staatsstreich entronnen und führte jetzt eine gnadenlose Säuberungsaktion unter seinen Wachen und Adeligen durch, für deren Dauer er seine geliebte Tochter weit genug aus dem Weg wissen wollte.
»Ich habe ihr mein Beileid wegen Berenice ausgesprochen«, sagte Julia und meinte Kleopatras unglückselige Schwester. »Ich mochte sie wirklich gern, obwohl sie eine dumme Gans war. Weißt du, was Kleopatra geantwortet hat?›Die Pflichten des königlichen Adels sind grausam.‹Sie beharrte darauf, dass ihr Vater genauso um die Tochter getrauert hätte, die er hatte hinrichten lassen müssen, wie sie selbst. Ich nehme an, das stimmt sogar.«
»Nun denn«, sagte ich in Ermangelung einer geistreicheren Replik. »Wir haben schließlich auch den guten alten Brutus, der die Hinrichtung seiner beiden
Weitere Kostenlose Bücher