Die Schiffe der Kleopatra
erst eine ganze Weile nach Sonnenaufgang hier sein, aber ein bisschen Warten wird ihnen nicht schaden.« Ich sah mich um und bemerkte unweit des Wassers einen langen, flachen Steinschuppen. »Ich nehme an, das sind die Sklaven-Baracken. Theoretisch solltest du über ein Personal von mehr als einhundert öffentlichen Sklaven verfügen. Wo sind die?«
»Rate mal«, sagte er und zwinkerte mich aus seinem einen Auge munter an.
»Sie sind mit der Flotte gegangen«, mutmaßte ich. »Sie wurden für allgemeine Wartungs- und sonstige Arbeiten benötigt, hat man mir erklärt. Angeblich kriege ich sie zurück, wenn auch die Schiffe zurück gegeben werden, aber ich würde meine Ersparnisse nicht darauf verwetten.«
Ich runzelte die Stirn. »Nun denn. Ich werde in der Stadt gelernte Tischler und wenigstens einen guten Schmied auftreiben und sie herschicken, damit sie ein paar Katapulte bauen. Kannst du sie anweisen und den Bau überwachen?« »Kein Problem«, knurrte er. »Besorg uns abgelagertes Hartholz und das beste Tauwerk, das du kriegen kannst. Bei Ballisten helfen schwache Seile nicht weiter.«
Ich versprach ihm, mein Bestes zu tun, verabschiedete mich von ihm und lenkte meine Schritte zum Ufer. Es war Mittagszeit, und ich fand eine kleine Taverne mit Tischen unter einer Weinlaube vor dem Lokal. Als wir saßen und ich meinen ersten Becher Wein vor mir stehen hatte, sagte ich zu Hermes: »Ich sehe, dass du förmlich platzt, mir etwas zu sagen. Also, was ist es?«
»Kein Proviant«, begann er, »kein Wein, kein Öl, nicht ein einziger Sack Datteln oder ein Rad Käse. Von wegen, er hätte die Waffen und Vorräte versteckt. Ich sag' dir, was er gemacht hat: Er hat sie verkauft!« empörte Hermes sich. »Sobald Pompeius' Männer weg waren, war jeder Bissen und jeder Schluck dieser Vorräte auf dem hiesigen Markt, und von dem Erlös hat er sich seither vollaufen lassen. Er ist ein Gauner, und du solltest ihm nicht trauen.«
»Höchstwahrscheinlich hast du recht«, erklärte ich ihm. »Aber wenn sich Generäle und Prokonsuln wie Diebe gebärden, warum sollte ein niederrangiger kleiner Verwalter besser handeln? Außerdem hat er immerhin einen Rest zurück behalten, und es erfordert Mut, einem Mann wie Gabinius etwas vorzuenthalten.«
»Wenn die Lagerhäuser komplett geleert worden wären, hätte er seinen Posten verloren«, knurrte Hermes. »Also musste er etwas zurückbehalten. Außerdem ist er ein Grieche.« Das Argument war nicht von der Hand zu weisen. Ich seufzte. »Was werden wir in diesen Gewässern schon groß anderes finden? Bis etwas Besseres vorbei kommt, werde ich mit ihm vorlieb nehmen müssen, und untersteh dich, ihm mit deinen unverschämten Aufsässigkeiten zu kommen, selbst wenn er ein Grieche ist.«
Eine Weile genoß ich den Blick auf die ein- und auslaufenden Schiffe, die ein prächtiges Bild darboten. Üblicherweise segelten die Schiffe beim Einlaufen bis dicht an den Wellenbrecher, holten die Segel ein und fuhren die Ruder aus. Beim Auslaufen kehrte sich die Prozedur um. Im Gegensatz zu Kriegsschiffen, die ausnahmslos mit einem einzelnen Mast für ein Rahsegel ausgestattet waren, hatten Handelsschiffe oft zwei oder sogar drei Masten und zahlreiche Segel. Und während römische Schlachtschiffe in der Regel rot und schwarz angemalt waren, schillerten sie in allen Regenbogenfarben mit phantasievollen Vor- und Achtersteven, der Flagge ihrer Handelsgesellschaft und diversen Schutz- und Glücksbringern zahlreicher Götter. »Sieh mal!« sagte Hermes und zeigte auf ein geschmeidiges Gefährt, das seine Segel bereits hißte, obwohl es den Hafen noch gar nicht verlassen hatte. Erst nach einer Weile begriff ich, was ihn derart überrascht hatte. Das Segel hatte einen purpurfarbenen Saum, und zwar nicht die blaßrote Tönung, die manchmal als Purpur durchgeht, sondern das echte Purpur aus Tyros, eine unglaubliche Extravaganz.
»Das muss Kleopatras Barkasse sein«, schloss ich messerscharf. »Wahrscheinlich ist sie an Bord und drillt ihre Männer. Ich fürchte, ich werde es noch bereuen, ihr erlaubt zu haben dabei zu sein.« Grübelnd betrachtete ich eine Weile den Anblick. »Sie muss in der Gunst ihres Vaters aufgestiegen sein, wenn er ihr ein Segel mit Purpurborte zugesteht.« »Ich habe gehört, er hätte zwei ihrer Schwestern hinrichten lassen«, sagte Hermes. »Vielleich weiß er seine verbliebenen Kinder jetzt um so mehr zu schätzen.«
Im Laufe der nächsten Stunde kreuzte Kleopatras Yacht, während wir
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