Die Schiffe der Kleopatra
aßen, unter vollem Segel und mit voller Ruderkraft durch den Hafen und übte sämtliche Manöver einer Seeschlacht, wobei sie bestimmt alle Handelskapitäne zu Tode erschreckte, weil einige von ihnen beinahe gerammt wurden. Doch das kleine Schiff wurde fachmännisch navigiert, die Ruder waren so glatt poliert, dass sie wie Elfenbein glänzten und wie kleine Flügel schimmerten, während das Gefährt behende und geschmeidig wie eine Libelle durch den Hafen schoss. »Wenn wir Piraten jagen, wird irgend wer sie ein wenig bremsen müssen«, bemerkte Hermes.
»Fürwahr, fürwahr«, stimmte ich ihm zu. »Im Krieg gibt es nichts Gefährlicheres als enthusiastische Laien.« Nach dem Essen stattete ich dem Hafenmeister einen Besuch ab. Er war ein kleiner geschäftiger Beamter namens Orchus. »Wie kann ich dir zu Diensten sein, Senator?« flötete er. Er war edel gewandet, sein Bart zu adretten Locken gewickelt und mit Duftöl beträufelt, eine orientalische Affektiertheit, die sich im östlichen Teil der griechischen Welt neuerdings großer Beliebtheit erfreute.
»Ich möchte, dass du von jetzt an den Kapitän jedes einlaufenden Schiffes nach Vorfällen von Piraterie in diesen Gewässern fragst«, erklärte ich ihm. »Datum, Position, eine detaillierte Beschreibung der geraubten Waren oder Personen und so weiter. Dein Sekretär soll täglich einen Bericht abfassen und ihn mir ins Haus des Silvanus zustellen.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein, deine Anweisungen durchzuführen«, erklärte er, »aber für die Genauigkeit der Berichte kann ich nicht garantieren.«
»Du meinst, die Kapitäne könnten die Unwahrheit sagen?« fragte ich verwundert.
»Und warum auch nicht?« gab er zurück. »Wenn man dem Kapitän eines Handelsschiffes eine Ladung edlen Weins zu einem Drittel des Marktwertes anbietet, wird er sie annehmen und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht lange über deren Herkunft spekulieren. Im Gegenteil, er wird Hermes ein Dankopfer für das unverhoffte Glück darbringen und beten, dass ihm dergleichen noch öfter widerfährt.« Hermes war der Gott der Diebe.
»Aber sehen diese Händler nicht, dass es in ihrem Interesse wäre, wenn Rom die Meere von den Piraten säubert? Ist für Piraten nicht jedes Schiff eine potentielle Beute?« »Nicht unbedingt«, erklärte der Hafenmeister mir geduldig. »Die Piraten achten darauf, sich nicht jeden zum Feind zu machen. Schließlich müssen sie ihre Beute auch noch irgendwo losschlagen.«
»Und was ist mit den Gefangenen?« bohrte ich weiter. »Die können doch bestimmt von der Plünderung ihrer eigenen Städte berichten?«
»Hier auf Zypern handeln wir nicht mit Sklaven. Die werden fast alle auf den großen Markt in Delos gebracht. Das heißt, wenn sie kein Lösegeld aufbringen können.«
»Das ist skandalös«, empörte ich mich.
»Absolut«, stimmte er mir zu. »Aber es ist auch eine jahrhundertealte Tradition, die zu unterbinden selbst die Römer wenig Anlaß gesehen haben, wie ich hinzufügen könnte. Auch Rom braucht Sklaven. Und soweit ich weiß, achten die Piraten darauf, dass unter ihren Opfern keine römischen Bürger sind.« »Eine kluge Politik«, bestätigte ich. »Denn damit haben sie vor Jahren ihren eigenen Niedergang provoziert. Also, finde heraus, was du kannst, und schicke mir deine Berichte. Ich gehe davon aus, häufig auf See zu sein, aber ich werde die Berichte regelmäßig abholen.«
»So soll es geschehen«, versicherte er mir, bevor er sich wieder anderen Pflichten zuwandte.
»Lass uns unsere Schiffe inspizieren«, sagte ich zu Hermes, als der Hafenmeister verschwunden war.
»Haben wir davon nicht fürs erste genug gesehen?« brummte er.
»Ich möchte nur nachsehen, ob Ion sie mittlerweile als Feuerholz verkauft hat.«
Die Schiffe waren, wie sich herausstellte, auf einen geeigneten Sandstrand gezogen worden. Masten, Segel und Ruder lagen ordentlich nebeneinander auf dem Boden, die Rümpfe waren mit Balken abgestützt, die Matrosen emsig damit beschäftigt, die Unterseite abzukratzen. Was immer man gegen Ion sagen konnte, wenn es um seine Schiffe ging, war er ein gewissenhafter Profi.
Ich fand ihn unter einem der Rümpfe hockend und eine Planke begutachtend, die offenbar so gut wie ausgedient hatte. »Warum benutzt du nicht die Hafenanlagen der Marinedocks?« erkundigte ich mich.
»Die sind für größere Schiffe, und die Schuppen sind für schlechtes Wetter«, erklärte er mir, mißmutig aufblickend. »Wenn man sich sein Schiff gründlich
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