Die Schiffe der Kleopatra
Weihrauchzeder aus dem Libanon, eine feine Kardamom- Mischung aus Indien, Tannengummiharz aus Iberien, Balsamstrauch aus Judäa und sogar ein überaus seltenes und stark ölhaltiges Weihrauch aus dem Holz des Sandelbaums, der auf einer Insel noch östlich von Indien wächst. Von einer anderen Insel habe ich das unvergleichliche Benzoe, das man ebensogut zum Einbalsamieren wie zum Verbrennen vor den Göttern verwenden kann. Ich habe ein Weihrauch aus äthiopischer Myrrhe, das für seine Heilkräfte berühmt ist. Was also wünschst du?«
»Ich interessiere mich einfach für Weihrauch«, erwiderte ich vage.
»Ah, Weihrauch«, seufzte er verzückt. »Der kostbarste aller Düfte und den Göttern am wohlgefälligsten. Wieviel brauchst du?«
»Eigentlich will ich etwas über seine Geschichte erfahren, wo es geerntet wird, wie es von seinem Ursprungsland an Orte wie - nun ja, wie zum Beispiel diesen hier gelangt.«
»Bist du ein Gelehrter?« fragte der Händler leicht verwirrt. »Gewissermaßen. Auf jeden Fall ungemein neugierig. Und wann immer mich das Bedürfnis packt, etwas über ein Thema zu erfahren, gehe ich gleich zu dem Mann, der anerkanntermaßen am meisten darüber weiß. Und als ich nach Weihrauch fragte, hat man mir erklärt, Demades wäre genau der Mann, den ich sprechen müsste.« Schmeicheleien kosten nichts und zeitigen oft erstaunliche Ergebnisse.
Der Händler strahlte. »Ihr seid richtig informiert worden. Meine Familie ist schon seit vielen Generationen im Weihrauchhandel tätig. Es gibt keinen Aspekt des Gewerbes, mit dem ich nicht vertraut wäre«, prahlte er und bot mir einen Stuhl auf der Rückseite des Standes an. Er hockte sich auf einen wohlriechenden Ballen und schickte einen Sklavenjungen los, um ein paar Erfrischungen zu besorgen.
»Ich weiß, dass Weihrauch aus Arabia Felix kommt«, eröffnete ich die Unterrichtsstunde mit meinem gesammelten Fachwissen, »aber die geographischen Zusammenhänge in diesem Teil der Welt sind mir nicht so ganz geläufig.« »Arabia Felix, das glückliche Arabien, hat seinen Namen wegen seines fast totalen Monopols im Weihrauchhandel«, erklärte er und fügte noch hinzu: »Wenn ich dieses Monopol hätte, wäre ich auch glücklich.«
»Du sagst, es wäre ein›fast totales Monopol‹?« hakte ich nach.
»Ja. Der größte Teil des Weihrauchgummiharzes wird in einem kleinen Gebiet unweit der Südküste Arabiens geerntet, doch der Weihrauchstrauch wächst auch in einem kleinen Küstenstreifen von Äthiopien. In Arabien wird zwar die größere Menge geerntet, doch das äthiopische Gummiharz ist von besserer Qualität. Es ist beinahe weiß, brennt mit leuchtender Flamme und hinterläßt weniger Aschenreste. In beiden Regionen wird das Gummiharz von einheimischen Stämmen geerntet, die die Rinde der Sträucher anritzen, damit das Harz ausblutet und härtet. Diese Tropfen, die man auch ›Tränen‹ nennt, werden abgekratzt, in Säcke verpackt und mit Kamelen zu den Häfen geschafft. Die Eingeborenen sind, was ihre Erntegründe und Handelswege angeht, sehr eifersüchtig und verteidigen sie mit aller Entschlossenheit.«
»Und wohin wird das Weihrauch aus diesen Hafenstädten verschifft?« wollte ich wissen.
»Einiges geht gen Osten nach Indien und in Länder, die man nur aus Legenden und Sagen kennt, doch das meiste wird über das Rote Meer nach Norden verschifft«, fuhr der Händler fort, während ich mich verstohlen nach dem zum Getränkeholen losgeschickten Sklaven umsah. »Aus dem Sinai wird es über Land nach Alexandria gebracht, von dort aus wird es in die ganze Welt verschickt. Meine Familie hat ihren Stammsitz im griechischen Viertel von Alexandria, dort ist auch die Zentrale unseres Handelsunternehmens.«
»Alles Weihrauch geht nach Alexandria?« fragte ich überrascht.
»So ist es«, bestätigte er. »In den Tagen des Großen Königs wurde auch vieles nach Jerusalem, Susa und Babylon gebracht, doch Ptolemaios I. hat den Handel zum persönlichen Monopol der ägyptischen Krone erklärt. Königliche Agenten kaufen sämtliches Gummiharz im Sinai auf und verkaufen es bei einer großen jährlichen Auktion in Alexandria an Handelsfirmen wie die meiner Familie weiter.«
»Ich nehme an, eure Handelswege sind sehr alt und seit vielen Jahren eingeführt?« bohrte ich weiter.
»O ja, unbedingt«, versicherte er mir. »Der Weg des Weihrauchs hat sich trotz aller dynastischen und imperialen Wandlungen durch die Jahrhunderte niemals verändert.« »Wie kommt das?«
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