Die Schiffe der Kleopatra
Repräsentanten, Verhandlungen, Geschäftsvereinbarungen. Zwischen dem Weihrauchkartell und den Piraten war im Prinzip die gesamte Palette der diplomatischen Beziehungen wie zwischen zwei Staaten möglich.«
»Ich nehme an, die Ptolemäer haben eine Seite dieser Kontakte gestellt?« unterbrach ich ihn.
»Nicht direkt«, sagte der Händler. »Schließlich wird das Weihrauch in Alexandria verkauft. Was kümmert es den König, was damit passiert, nachdem es erst einmal auf dem Meer ist? Im nächsten Jahr wird er wie stets die Jahresernte verkaufen. Nein, alle Händler, die mit großen Mengen von Weihrauch ahandeln, sind in der heiligen Gesellschaft des Dionysus organisiert. Am Vorabend der jährlichen Auktion halten wir immer ein Bankett im Dionysus-Tempel von Alexandria ab, wo wir unsere Schutzgottheit ehren und Verabredungen für die Geschäftsbeziehungen des kommenden Jahres treffen. Die Gesellschaft hat Mittelsmänner für die Kontakte im Zusammenhang mit Geschäften außerhalb Ägyptens. Diese Vermittler führen Verhandlungen mit den Behörden der Länder, in die wir unsere Ware verschiffen, kümmern sich um den Zehnten, Zölle und dergleichen. Und zu ihren Verhandlungspartnern gehören auch die Piraten. Gehörten die Piraten, sollte ich sagen«, fügte er eilig hinzu, »da Rom diese Geißel verdienstvollerweise von den Meeren vertrieben hat, mehr oder weniger.«
»Das heißt, eure Waren können jetzt gefahrlos über die Seewege verschifft werden, vorausgesetzt das Wetter spielt mit und die Planken faulen nicht, wie?«
»Nun, eine gewisse Gefahr besteht natürlich immer«, räumte er ein. »Seefahrer sind ein altmodisches Volk, musst du wissen, das sich in mancher Hinsicht seit den Tagen des Odysseus kaum verändert hat. Seeleute sind, um es unverblümt auszudrücken, günstigstenfalls ein ziemlich niederträchtiger Haufen. Wenn beispielsweise ein Schiff mit einer Besatzung von fünfzehn Mann auf ein kleineres Schiff mit nur sieben Mann Besatzung trifft, dann kann es passieren, dass sich die Männer auf dem größeren Schiff vorsorglich umblicken, feststellen, dass keine anderen Schiffe in Sichtweite sind, die Waffen aus ihren Seemannskisten kramen, und ehe man sich's versieht, sind sieben unglückliche Matrosen zu Poseidon unterwegs, rasch gefolgt von ihrem versenkten Schiff, während das größere Schiff, etwas tiefer im Wasser liegend, seiner Wege zieht. Diese Männer sind keine Piraten im Sinne der alten organisierten Flotten. Es sind bloß gewöhnliche Soldaten, die sehen, dass Hermes ihnen eine günstige Gelegenheit geschickt hat und den Gott nicht dadurch erzürnen wollen, dass sie sein Geschenk ausschlagen. Diese Männer interessieren sich auch nur für Beute, die sie leicht und ohne Argwohn zu erregen wieder losschlagen können. Sie handeln nicht mit Sklaven oder Gefangenen, für die sie Lösegeld fordern, weil es keine Zeugen für ihre schändlichen Taten geben darf.«
»Das ist höchst erhellend«, erklärte ich ihm, und das war es wirklich. »Häufen sich derlei Flegeleien in jüngster Zeit?« Er nickte seufzend. »Gewiss, Senator. Und auch wenn ich nie schlecht von der glorreichen römischen Republik sprechen würde, die du so kompetent repräsentierst und die alle Welt mit Ehrfurcht und Staunen betrachtet, muss ich doch sagen, dass es in erster Linie eure Schuld ist.«
»Wie das?« wollte ich wissen.
»In den alten Tagen betrachteten die Flotten Poseidons großes Reich als ihren persönlichen Besitz. Sie waren wie Adler oder große Falken, und wenn sie einen kleinen Schurken ertappten, der auf ihren Gewässern wilderte, verhielten sie sich wie edle Vögel, die Raben und Elstern in ihrem Revier erspähen. Ihre Rache war prompt und fürchterlich. Sie warer eine Geißel für viele Schiffe und ganz gewiss eine Plage für die kleinen unbefestigten Städte entlang der Küste, aber wer es sich leisten konnte, mit ihnen zu verhandeln, genoß eine Sicherheit, die seit ihrer Verbannung von den Meeren geschwunden ist.« »Wie bedauerlich«, sagte ich, obwohl mein Mitgefühl sich sehr in Grenzen hielt. »Und siehst du im jüngsten Wiederaufflammen der Piraterie eine mögliche Rückkehr zu der Sicherheit früherer Tage?«
»Wie soll das gehen, jetzt, wo Rom verantwortlich ist?« gab er zurück. »Außerdem machen diese neuen Schurken nicht viel mehr her als ein Flicken auf einem Segel einer alten Triere. Das sind kleine Leute, zu klein, um mit der heiligen Gesellschaft des Dionysus zu
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