Die Schiffe der Kleopatra
Ptolemäer, rein historisch betrachtet, durchaus eine Neigung zu äußerst bizarren Mordmethoden demonstriert haben.«
»Willst du mich provozieren?« fragte Kleopatra. »Ich möchte dich daran erinnern, dass auch ich Gast in Silvanus' Haus und mir sehr wohl bewusst bin, dass es die Götter erzürnt, wenn der heilige Bund zwischen Gast und Gastgeber durch Blutvergießen gebrochen wird.«
»Mit Verlaub, Prinzessin«, erwiderte ich, »aber ihr Ptolemäer habt die schändlichste Tradition von Inzest, Vatermord, Muttermord, Kindermord und jeder anderen Variante unnatürlichen Verhaltens in der langen und traurigen Geschichte des Königtums überhaupt.«
»Es ist nicht leicht, ein König zu sein«, gab sie offenbar weder empört noch beschämt zurück. »Seit Jahrhunderten sind wir griechische Herrscher in einem fremden Land. Und nicht nur das, jeder beneidet uns und würde uns gern erobern. Menschen von königlichem Geblüt sind nicht mit dem gemeinen Volk zu vergleichen und sollten auch nicht nach dessen Maßstäben beurteilt werden.«
»Es liegt mir fern, Euch zu beurteilen«, versicherte ich ihr. »Doch ich habe ein argwöhnisches Wesen, und wenn ich bei einem Verbrechen ermittle, suche ich nach - wie soll ich es ausdrücken - nach Übereinstimmungen, Korrespondenzen, Aspekten, die zwei ansonsten zusammen hanglose Ereignisse, Personen oder Umstände zueinander in Beziehung setzen. Vor allem abseitige, obskure Aspekte.« Ich sah Kleopatra direkt an, doch ihre Augen waren wie schwarze Spiegel, die nichts von ihrem Innern preisgaben.
»Will sagen«, fuhr ich unbeirrt fort, »Statthalter Silvanus ist tot, erstickt an Weihrauch, einer Mordart, die in meiner bisherigen Erfahrung einzigartig ist.
Ein wenig Herumfragen auf dem Markt hat nun heute ergeben, dass sämtliches über das Meer verschiffte Weihrauch aus Ägypten kommt, wo der Weihrauchhandel ein königliches Monopol ist. Zur gleichen Zeit trifft der Erste Eunuch am Hofe König Ptolemaios' zusammen mit einer Delegation alexandrinischer Händler ein, von denen sich einige möglicherweise übervorteilt fühlen und einen Groll hegen. Ich denke, Ihr versteht, warum das meine Jagdhundinstinkte weckt.« »Das ist ein überaus faszinierendes philosophisches Konzept«, sagte die junge Prinzessin ernst. »Wäre es nicht so persönlich beleidigend, fände ich es wahrhaft fesselnd.« »Ich denke, Senator«, sagte Photinus frostig, »dass du deine Befragung auf die alexandrinischen Händler beschränken solltest. Ich werde dich mit dem größten Vergnügen mit ihnen bekannt machen.«
»Eine ausgezeichnete Idee«, sagte ich. »Wie schnell kannst du sie zusammen trommeln?«
»Es müsste möglichst bald geschehen«, sagte er. »Da der Gouverneur nun tot ist, treffen einige von ihnen bereits Vorbereitungen für ihre Rückreise nach Alexandria.« »Sie werden nichts dergleichen tun, ehe ich sicher bin, dass keiner von ihnen tatbeteiligt war«, erklärte ich streng. »Ruf sie heute abend nach dem Essen zusammen.«
»Niemand macht nach dem Essen noch Geschäfte«, wandte er schockiert ein.
»Du sagtest doch selbst, die Zeit wird knapp.«
Da das Haus in Trauer war, speiste ich auf meinem Zimmer, was ich sehr erleichternd fand, weil ich Zeit für mich brauchte. Ich hatte vieles erlebt und noch mehr erfahren, was in Ruhe überdacht sein wollte. Bei manchen Ermittlungen besteht die Herausforderung darin, einen naheliegenden Tatverdächtigen zu finden. In diesem Fall bestand sie darin, ein allzu weites Feld einzuengen. Ich litt unter einem Überangebot an Verdächtigen. Potentielle Mörder wetteiferten miteinander wie ein Feld von Wagenlenkern im Circus.
Meine beiden Hauptverdächtigen waren Gabinius und Kleopatra. Gabinius war verbannt, ein ehrgeiziger General wie zu viele Römer seiner Generation, verzweifelt bestrebt, nach Rom zurück zu kehren und erneut in das Spiel um die höchste Macht einzugreifen. Gewiss, er hatte überaus freundschaftlichen Umgang mit Silvanus gepflegt, doch unter Politikern war Freundschaft ein notorisch dehnbares Konzept. Gabinius war mit seiner Schlägerbande nach Zypern gekommen und viel zu sehr darauf erpicht, die Kontrolle an sich zu reißen. Eine entschlossene Bewältigung der hiesigen Situation würde seinem Ruf in Rom sicher nicht schaden und konnte möglicherweise seine Rückkehr beschleunigen. Und wo war überhaupt Silvanus' Stellvertreter abgeblieben?
Kleopatra wiederum hatte hinreichend Grund, Rom zu hassen. Rom hatte zwar ihren Vater
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