Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
SEIN MUSS, VON FAULEN ÄPFELN
„Tausend Ideen schlafen in mir, und warten
auf die Magnetnadel, die sie zieht.“
An W. Reinwald, Bauerbach, 9. Juni 1783
Ein wenig pikiert nimmt Johann Wolfgang von Goethe in Schillers Arbeitszimmer Platz. Herr Hofrat Schiller werde jeden Augenblick erscheinen, verspricht Diener Rudolf, ehe er sich mit einer angedeuteten Verbeugung zurückzieht. Goethe wirft vorwurfsvoll einen Blick auf seine Taschenuhr, denn die Luft hier oben in diesem Raum unter dem Dach scheint ihm schon nach wenigen Augenblicken drückend, schwül, ja geradezu widerwärtig. Dass Schiller in dieser Atmosphäre arbeiten kann! Unruhig schaut er sich in dem freundlichen, hellgrün tapezierten Zimmer mit den vielen Büchern in den Wandregalen um. Die ledergebundenen griechischen Klassiker stehen da, die Hefte der „Thalia“. Die Bände mit seinen, Goethes, Schriften haben sogar einen Ehrenplatz im Regal gefunden. Zufrieden nickend, sieht sich der Geheimrat weiter um. Wo Schiller wohl bleibt? Will er ihn denn hier ewig warten lassen, hier, in dieser stickigen, seltsam süßlich riechenden Luft …?
Schwerfällig erhebt sich Goethe aus seinem Sessel, und nervös durchmisst er den Raum, hält zuletzt am Schreibtisch inne. Woran Schiller wohl gerade arbeiten mag? Ein Blatt mit Aufzeichnungen liegt darauf, aber mehr noch als von den Zeilen auf dem Papier wird Goethe von dem merkwürdigen Geruch abgelenkt, der immer starker zu werden scheint. Angewidert, aber auch neugierig schnuppert Goethe, woher wohl dieser Geruch kommen mag. Entströmt er nicht geradezu dem Schreibtisch selbst …?
Entschlossen zieht Goethe eine der Schubladen auf – und wendet sich angeekelt ab. Faulige Äpfel! Wie Schiller diesen Geruch bloß ertragen kann … Er, Goethe, kann es jedenfalls nicht. Mit blassem Gesicht strebt er eilig dem Ausgang zu. Mag sich doch Schiller selbst vergiften mit seinem Tabakqualm, mag er doch ersticken im schwülen Gedünst seiner fauligen Äpfel. Er, Goethe, braucht jedenfalls frische Luft, um klar denken zu können. Eilig tritt er hinaus auf die Esplanade. Ah, endlich wieder Luft zum Atmen …
Gewiss, faule Äpfel sind nicht jedermanns Sache, nicht in der Wohnung und erst recht nicht im Büro, wo viele Menschen dem Geruch ausgesetzt wären. Schiller jedoch brauchte sie zum Arbeiten, zur Inspiration. Seine Sinne, seine Kreativität wurden durch sie stimuliert. Und in seinem Arbeitszimmer war er ja auch für sich allein, konnte seine etwas merkwürdige Art der Inspiration in aller Ruhe genießen …
Auch wenn es nicht faule Äpfel sind: Die Möglichkeiten, sich inspirieren zu lassen, sind vielfältig. Das kann eine Pause in der Cafeteria sein, ein Spaziergang an der frischen Luft oder im Extremfall ein Hochsee-Segeltörn, der einem frische Ideen zubläst. Mancher braucht die gewohnte Umgebung, um klar denken zu können, eine Duftlampe oder einen kräftigen Tee. Ein anderer flieht der häuslichen Enge oder dem Trubel des Büros und entwickelt in der freien Natur neue gedankliche Höhenflüge. Anderen wiederum kommen die besten Ideen unter der Dusche, oder vielleicht bei der Lektüre der Tageszeitung …
Neben der Inspiration sollte eine weitere Triebfeder nicht außer Acht gelassen werden: Die Motivation von außen, um in kürzester Zeit Höchstleistungen zu bringen. Auch Schiller hatte eine solche starke Triebfeder: Bei ihm war es neben dem abstrakten – und doch höchst greifbaren – Wunsch nach „Unsterblichkeit“ noch ein ganz realer: Bis zum 50. Lebensjahr endlich schuldenfrei zu sein. Dieses Ziel spornte Schiller an, ließ ihn Nacht für Nacht am Schreibtisch sitzen, ließ ihn Stück um Stück schreiben …
Nun, bei allem Ehrgeiz müssen wir nicht gleich unsere Gesundheit ruinieren, so wie Schiller dies in seinem Übereifer tat. Aber eine kräftige Motivation, ein Symbol für unsere Anstrengungen können auch wir gut gebrauchen. Das kann die in Plexiglas eingeschweißte Dollarnote auf dem Schreibtisch sein – um sich das Ziel, Millionär zu werden, jeden Tag plastisch vor Augen zu führen. Das kann die Lektüre der Biografie eines berühmten Mannes sein, oder auch der ewige Konkurrenzkampf mit dem ungeliebten Kollegen, auf den man neidisch ist …
Schiller wusste sehr gut, wie wichtig, aber auch wie schwierig Selbstmotivation sein kann – gerade dann, wenn man ein Projekt erfolgreich abgeschlossen hat und nun in ein Motivations-„Loch“ zu fallen droht: „Der Abschied von einer langen und
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