Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
zunächst bleibt er vielen Zeitgenossen anders in Erinnerung: Als ein begabter junger Mann mit Feuer und großen Zukunftsaussichten, aber mit höchst nachlässiger Garderobe …
Wir wissen es heute natürlich besser als Schiller: Wie sehr der erste Eindruck zählt – nicht nur beim Vorstellungsgespräch. Wie viel die Kleidung über den Menschen aussagt. Und wie sehr ein Paar ungeputzte oder abgetretene Schuhe, das nicht entfernte Markenschildchen auf dem Jackettärmel oder eine zu kurz gebundene Krawatte einen ansonsten guten Eindruck schnell zunichtemachen können. Man muss deshalb nicht gleich ein Geck oder Mode-Aficionado werden, aber ein paar Grundregeln der Kleidungskultur sollte man schon beherzigen – zumal diese Regeln von weitaus mehr Menschen verinnerlicht worden sind, als man vielleicht glaubt. Wer sich aus Unwissenheit oder Desinteresse nicht an diesen ungeschriebenen Komment hält (eine Ausnahme ist hier nur das bewusste Brechen der Regeln, doch dazu muss man sie natürlich auch erst einmal beherrschen), beleidigt womöglich das Auge des Gegenübers – und schadet möglicherweise dem eigenen Renommee.
Noch ein anderer Aspekt kommt hinzu: die Sprache und der Dialekt. Auch sie sind entscheidend für den ersten Eindruck. Von Schiller wissen wir, dass er stark schwäbelte. „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ – dieser moderne Marketing-Slogan von Baden-Württemberg traf bereits auf Schiller voll zu. Aber was heute als positiv konnotiertes Alleinstellungsmerkmal vermarktet wird, rief vor 200 Jahren in anderen Regionen Deutschlands eher Befremden und Heiterkeit hervor (und tut es nach Ansicht mancher auch heute noch). Schillers erste gesellschaftliche Gehversuche im höfischen Mannheim endeten daher beinahe im Desaster. Man wollte anfangs einfach nicht glauben, dass dieser dürre, linkische, stark schwäbelnde und die Verse seltsam und mit völlig überzogenem Pathos deklamierende Mann tatsächlich der geniale Autor der „Räuber“ war. Es bedurfte nicht geringer Anstrengungen, diesen ungünstigen ersten Eindruck wieder wettzumachen.
Nicht nur der Dialekt (oder, besser, dessen Fehlen), auch Wortwahl und Rhetorik sind entscheidend für das Fortkommen. Wer hört nicht lieber einem Menschen zu, der sich gewählt und angenehm auszudrücken versteht, als einem Menschen, dessen Sätze beinahe noch kürzer sind als der Verstand, der aus ihnen spricht? Sprache – zunehmend auch das souveräne Beherrschen von Fremdsprachen, zumindest des Englischen – ist heute ein entscheidender Karrierefaktor. Nicht nur in Medienberufen, sondern praktisch überall.
„Anmut ist eine bewegliche Schönheit“ , schreibt Schiller 1793 in seiner Schrift „Über Anmut und Würde“. Da ist er bereits Hofrat geworden, Professor in Jena, und schon mehrere Jahre verheiratet. Der Einfluss Charlottes, seiner Frau, tut dem verlotterten Dichter gut. Seine adlige Gattin hält sehr auf Etikette; sie weiß von klein auf, wie man sich in höfischen Kreisen bewegt. Sie formt Schiller, sie kümmert sich um seine Garderobe und zieht auch im Hintergrund die Fäden. Aus dem linkischen, unbeholfenen Regimentsmedikus von einst wird so, auch durch ihr Zutun, der Weltbürger Schiller, der gefeierte Dichter.
Es ist eine Art von privatem Coaching, von Stilberatung, die Schiller hier erfährt. Und es ist nicht die schlechteste Art, denn sie geschieht in aller Freundschaft, und sie passiert auf Augenhöhe. Charlotte formt ihren Mann, sie fördert ihn nach Kräften. Sie macht ihn herzeigbar. Sie unterstützt im eigenen Interesse seine Karriere, wo sie nur kann. Wohl dem, der im privaten Umfeld ein solches Coaching, eine solche Rückendeckung erhält. Und wer aus dem einen oder anderen Grunde darauf nicht zurückgreifen kann – für den gibt es heute ein beinahe unübersehbares Angebot an professionellen Coachings, Redetrainings und Stilberatungen.
Wer erkannt hat, dass damals wie heute neben inneren Werten eben auch die äußeren zählen, kann sich gezielt darauf einstellen, kann – erst recht in unserer heutigen Mediengesellschaft – an seinem eigenen „Bild“ in der öffentlichen Wahrnehmung arbeiten und mit etwas Geschick (und kluger Beratung) den eigenen Marktwert steigern. Mit unordentlicher Weste – oder, noch schlimmer, einem geschlossenen untersten Westenknopf – muss sich daher heute niemand mehr in der Öffentlichkeit zeigen.
„Ein hohes Kleinod ist der gute Name.“
Maria Stuart
28 LASS’ DICH INSPIRIEREN – WENN ES
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