Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
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„Strebe nach Ruhe, aber durch das Gleichgewicht, nicht durch den Stillstand deiner Tätigkeit.“
Über naive und sentimentalische Dichtung
26 BETREIBE SELBST-MARKETING: BAUE DIR EIN GUTES IMAGE AUF
„Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis.“
Prolog zu „Wallenstein“
So lange still zu sitzen war seine Sache nicht, wirklich nicht. Es musste aber sein – seine alte Freundin Ludovike hatte ihn schon mehrfach ermahnen müssen, erst im Spaß, aber mittlerweile fast schon ein wenig erzürnt. Er musste sich einfach zusammennehmen. Irgendwo in die unendliche Weite blicken, und möglichst gut dabei aussehen. Und wenn er das nicht tat – Ludovike würde schon dafür sorgen, dass er gut und gelehrt und überhaupt wie ein großer Dichter auf dem Porträt aussähe.
Es war längst nicht das erste Mal, dass er Modell für ein Porträt saß. Schon kurze Zeit nach dem unglaublichen Erfolg der „Räuber“ hatte er das Publikum mit einem Kupferstich versorgt, der den Dichter zeigte – wenn er auch nicht ganz zufrieden damit war, so hatte es dennoch seinen Zweck erfüllt. Und dann hatten die Leute mehr Bilder und Porträts gewünscht – und er hätte dumm gewesen sein müssen, sie ihnen nicht zu geben. Erst kürzlich hatte er seinem alten Kameraden von der Karlsschule, dem Bildhauer Johann Heinrich Dannecker, für eine Marmorbüste Modell gesessen – sie versprach, großartig zu werden. Ganz im Sinne der klassischen Antike; Schiller sozusagen als Nachfolger Homers …
Und auch das Porträt, das Ludovike Simanowiz jetzt von ihm malte, würde vortrefflich werden – sie machte das gut, die alte Freundin seiner Schwester Christophine, die auch ihm seit Kindertagen vertraut war: Ein Dichter in Denkerpose, im eleganten blauen Rock, sogar mit korrekter Halsbinde …
Schon wieder muss Schiller grinsen – zumindest dieses Detail wäre eindeutig geschönt und idealisiert, denn den Kampf mit den lästigen Dingern hatte er längst aufgegeben … Gleichgültig – das Publikum wollte einen Dichter zum Verehren, und das sollte es auch bekommen …
Es ist wie überall im Berufsleben: Ein gutes Image ist mitunter noch mehr wert als gute Arbeit. Wer glaubt, eine gute Arbeit werde schon für sich sprechen, der irrt. Nicht der Fleißige kommt automatisch weiter, ebenso wenig wie der kluge, aber stille Mitarbeiter. Aufmerksamkeit erringt nur der, der diese auch bewusst erzeugt, der seine Person und seine Leistungen aktiv ins rechte Licht zu setzen weiß. Gewiss: Ohne Leistung geht das nicht – denn Blender werden früher oder später durchschaut. Aber wer seine guten Leistungen gut zu kommunizieren weiß, ist eindeutig im Vorteil.
Schiller weiß das. Mit seinen „Räubern“ hat er einen Theater-Coup erster Güte gelandet. Das Werk ist in aller Munde. Nur der Dichter selbst ist es noch nicht. Anonym hat er sein Stück aus Furcht vor dem Herzog publizieren müssen, heimlich hat er die ersten Vorstellungen in Mannheim besucht … Das Werk ist ein Triumph ohnegleichen geworden. Aber der Dichter der „Räuber“ bleibt dem breiten Publikum weiter unbekannt. Man rätselt, wer der Unbekannte, der ein so schwungvolles Debüt hingelegt hat, wohl sein mag. Und man kann sich später zunächst auch nur schwerlich vorstellen, dass dieser hochaufgeschossene, linkische und stark schwäbelnde Flüchtling mit dem sommersprossigen Gesicht, den allzu pathetischen Gesten und den wirren feuerroten Haaren tatsächlich der geniale, kraftstrotzende Dichter sein soll …
Schiller tut in dieser Situation etwas sehr Kluges: Er formt ein Bild von sich in der Öffentlichkeit – und er verbreitet es aktiv. Er weiß: Die Leute haben bisher keine Vorstellung, kein Bild von ihm – und diese Lücke füllt er. Er verknüpft dabei den Ruhm des Stückes mit einem Bildnis von sich. Er weiß: Das Theaterpublikum dürstet danach, den ebenso berühmten wie unbekannten Autor endlich einmal vor Augen zu haben. Natürlich ist das Bild idealisiert (wie fast alle Bilder, die wir von Schiller kennen), und es ist geschickt arrangiert. Die Botschaft aber ist klar: Seht her, hier ist er, der berühmte Dichter der „Räuber“.
Schillers PR-Coup geht aber noch weiter. Er versteht es geschickt, seine dramatische Flucht aus Gewissensnot, seine elenden materiellen Verhältnisse als den Leidensweg eines verfolgten Genies darzustellen. Vielleicht stärker noch als die Protagonisten seiner Stücke weiß der Bühnenschriftsteller sein eigenes Leben in Szene zu
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