Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
kleiner.
Sel
-Rückstände bildeten eine schmierige Schicht auf dem Boden. Masklin rannte unter den Laster, in eine Welt, deren Decke aus Kabeln und Rohren bestand, viel zu hoch, um erreichbar zu sein. Er suchte unter einer der Bänke weiter hinten, fand ein Stück Draht und verbog es zu einem Haken; Kurze Zeit später kletterte er zwischen den Rohren hindurch. Es war gar nicht schwer. Der untere Teil des Lastwagens setzte sich überwiegend aus Rohrleitungen und Kabelsträngen zusammen, und nach ein oder zwei Minuten bemerkte der Jäger vorn eine Metallwand mit Löchern, die noch mehr Drähte aufnahmen. Er schob sich durch eine der Öffnungen, und dahinter…
Ein Teppich. Damit hatte er im Innern eines Lastwagens nicht gerechnet. Hier und dort lag Bonbonpapier, für einen Nom so groß wie Zeitungen. Riesige pedalförmige Dinge ragten aus dem Boden. In der Ferne sah Masklin einen Sitz, hinter einem großen Rad. Vermutlich diente er Menschen dazu, sich festzuhalten. »Angalo?« rief er leise.
Keine Antwort. Eine Zeitlang wanderte er ziellos umher und wollte schon aufgeben, als etwas zwischen den Haufen aus Fusseln, Staub und Papier unter dem Sitz seine Aufmerksamkeit weckte. Ein Mensch hätte den Fetzen sicher für ein weiteres Stück Abfall gehalten, doch der Nom erkannte Angalos Umhang. Er untersuchte sorgfältig den Müll und stellte sich vor, wie hier jemand gelegen und alles beobachtet hatte. In einer Ecke fand er einen Papierfetzen, und daran klebten die Krümel eines belegten Brotes.
Er nahm den Mantel mit und verließ den Lastwagen – es schien keinen Sinn zu haben, die Suche fortzusetzen.
Ein Dutzend Nomen wartete besorgt auf dem selverschmierten Boden unter dem Motor. Masklin hob den Umhang und zuckte mit den Schultern.
»Das ist alles. Er befand sich in diesem Laster, aber jetzt ist er nicht mehr da.«
»Was könnte ihm zugestoßen sein?« fragte einer der älteren Wichte.
Jemand hinter ihm sagte: »Vielleicht hat ihn das Ungeheuer Regen zerquetscht. Oder er wurde vom schrecklichen Wind fortgeblasen.«
»Ja«, brummte ein anderer, »im Draußen könnte Gräßliches lauern.«
»Nein!« widersprach Masklin. »Ich meine, draußen
gibt es
gräßliche Dinge .,.«
»Aha.« Einer der Nomen nickte.
»… aber so
etwas
nicht! Im Innern des Lastwagens hätte er völlig sicher sein müssen! Ich habe ihn aufgefordert, drinnen zu bleiben, in seinem Versteck …«
Plötzlich herrschte eine seltsame Stille. Die Wichte sahen nicht etwa Masklin an, sondern an ihm vorbei. Der Herzog von Kurzwaren stand hinter ihm, in seiner Begleitung einige Soldaten. Mit steinerner Miene musterte er den Jäger und streckte wortlos die Hände aus.
Masklin gab ihm den Mantel. Der Herzog drehte ihn hin und her, blickte darauf hinab. Die Stille dehnte sich, wurde dünner und dünner, bis sie fast surrte.
»Ich habe es ihm verboten«, sagte der Herzog leise.
»Ich habe ihn darauf hingewiesen, es sei viel zu gefährlich.
Wie dumm von mir. Dadurch bestärkte ich ihn nur in seiner Entschlossenheit.« Er sah wieder Masklin an. »Nun?« fragte er.
»Äh?« erwiderte Masklin.
»Lebt mein Sohn noch?«
»Äh. Das wäre möglich. Nichts spricht dagegen.«
Der Herzog nickte geistesabwesend.
Jetzt ist es soweit,
flüsterte es in Masklin.
Hier und jetzt geht alles zu Ende.
Der Herzog starrte zum Lastwagen, ließ den Blick dann über die unbewegten Gesichter der Gardisten gleiten.
»Und diese Dinger rollen nach draußen?« erkundigte er sich.
»O ja«, bestätigte Masklin. »Immer wieder. Die ganze Zeit über.«
»Es gibt nichts im Draußen«, sagte der Herzog. »Ich weiß es.
Aber mein Sohn wollte mir nicht glauben. Du meinst, wir sollten das Kaufhaus verlassen und uns draußen eine neue Heimat suchen. Werde ich dort meinen Sohn wiedersehen?«
Masklin sah in die Augen des alten Mannes und verglich sie mit zwei noch nicht ganz fertig gebratenen Eiern. Er dachte an die Größe des Draußen, dann an die Größe der Nomen. Und er dachte:
Ein Anführer sollte Wahrheit und Ehrlichkeit schätzen, den Unterschied dazwischen erkennen. Was die Ehrlichkeit betrifft: Unsere Chancen, Angalo zu finden, sind größer als die Wahrscheinlichkeit, daß dem Kaufhaus Flügel wachsen. Aber um bei der Wahrheit zu bleiben …
»Es ist möglich«, sagte er und fühlte sich schrecklich. Aber es
war
möglich.
»Na schön«, entgegnete der Herzog. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. »Was brauchst du?«
»Wie bitte?« Masklins Kinnlade klappte
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