Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
Rädern bin ich unterwegs gewesen und habe das Draußen gesehen.
XI. Und sie fragten: Was ist das Draußen?
XII. Und er sagte: Es ist groß.
Aus dem
Buch der Nomen
, Berichte,
Verse X-XII
Am vierten Tag kehrte Angalo zurück. In seinen Augen funkelte es, und er grinste wie ein Irrer.
Einer der Träger-Wächter stürmte in die Abteilung, gefolgt vom forsch schreitenden Angalo und einer Schar begeisterter junger Wichte. Der Heimkehrer war schmutzig, seine Kleidung zerlumpt, und er schien seit Stunden nicht geschlafen zu haben.
Doch er schritt mit offensichtlichem Stolz einher, wie ein Nom, der sich kühn dorthin wagte, wo noch nie zuvor ein Nom war – und der darauf brannte, ausführlich davon zu erzählen.
»Wo ich gewesen bin?« entfuhr es ihm. »Wo ich
gewesen
bin? Fragt mich besser, wo ich nicht gewesen bin. Oh, ihr solltet sehen, was es im Draußen gibt!«
»Was gibt es dort?« ertönten mehrere Stimmen.
»Alles!« antwortete Angalo, und seine Pupillen leuchteten.
»Und wißt ihr was?«
»Was denn?« erklang es im Chor.
»Ich habe das Kaufhaus von
außen
beobachtet! Es …«
Er zögerte kurz und fuhr leiser fort: »Es ist wunderschön. Überall ragen Säulen auf, und dann die vielen bunten Fenster…«
Immer mehr Wichte eilten herbei und drängten sich um Angalo.
»Hast du auch die Abteilungen gesehen?« fragte ein Büromaterialer.
»Nein!«
»Was?«
»Von draußen kann man die Abteilungen nicht sehen! Alles ist ein großes Etwas! Und, und…« In der plötzlichen Stille öffnete Angalo den Beutel und holte sein Notizbuch hervor, das nun wesentlich dicker zu sein schien. Aufgeregt blätterte er darin. »Davor steht ein großes Schild, und ich habe das Wort darauf abgeschrieben, weil es kein Lastwagisch ist und ich es nicht verstand, und es setzte sich aus diesen Buchstaben zusammen.« Er zeigte das Blatt.
Niemand gab einen Ton von sich. Inzwischen konnten schon ziemlich viele Nomen lesen.
Das Wort lautete: RÄUMUNGSVERKAUF. Anschließend ging Angalo zu Bett, brabbelte noch immer von Lastwagen, Bergen und Städten – und schlief zwei Stunden lang.
Masklin besuchte ihn später.
Angalo setzte sich in seinem Bett auf, und die Augen im blassen Gesicht glänzten noch immer wie Murmeln.
»Ermüde ihn nicht!« mahnte Oma Morkie. Sie pflegte alle Leute, die zu krank waren, um sich zu wehren. »Er ist nach wie vor sehr schwach und hat Fieber. Kein Wunder, wenn man in einem großen und lauten Lastwagen durchgeschüttelt wird. So was ist nicht normal. Gerade war sein Vater hier, und nach fünf Minuten mußte ich ihn rauswerfen.«
»Du hast den Herzog fortgeschickt?« fragte Masklin. »Aber wie? Er hört auf niemanden!«
»Im Kaufhaus mag er ein sehr einflußreicher Nom sein«, erwiderte Oma Morkie zufrieden, »aber in einem Krankenzimmer stört er nur.«
»Ich muß mit Angalo reden«, erklärte Masklin.
»Und ich möchte von meinen Erlebnissen erzählen«, fügte der Sohn des Herzogs hinzu. »Alle sollen davon erfahren!
Draußen gibt es so
viel!
Einige der Dinge, die ich dort gesehen habe …«
»Leg dich wieder hin!« Oma drückte Angalo aufs Polster zurück. »Übrigens: Ratten hier drin gefallen mir nicht sonderlich.« Bobos Schnurrhaare ragten unter dem einen Ende der Decke hervor.
»Aber er ist sauber und mein Freund«, wandte Angalo ein.
»Und du hast gesagt, daß du Ratten magst.«
»Ratte«,
hielt ihm Oma Morkie streng entgegen. »Ich habe
Ratte
gesagt, nicht Ratten.« Ihr Zeigefinger bohrte sich Masklin in die Brust. »Er darf sich nicht aufregen, klar?«
Der Jäger nahm neben dem Bett Platz, und Angalo berichtete mit ungebändigtem Enthusiasmus über die Welt im Draußen.
Er verhielt sich wie jemand, der sein ganzes Leben lang eine Augenbinde getragen und zum erstenmal Gelegenheit bekommen hatte, sich umzusehen. Er sprach vom großen Licht am Himmel, von Straßen voller Lastwagen, von großen Dingen, die aus dem Boden ragten und an denen grüne Zipfel hingen …
»Bäume«, meinte Masklin.
… und von großen Gebäuden, wo man Dinge vom Lastwagen nahm oder in ihm verstaute. Bei einem davon verirrte sich Angalo. Als der Laster hielt, stieg er aus, um zur Toilette zu gehen, und der Fahrer kehrte eher zurück als er. Daraufhin kletterte er in einen anderen Lastwagen, der nach einer längeren Fahrt auf einem großen Platz mit vielen Fahrzeugen parkte.
Dort suchte Angalo nach einem Laster von Arnold Bros (gegr. 1905).
»Vermutlich meinst du ein Restaurant an der Autobahn«, warf
Weitere Kostenlose Bücher