Die Schlacht der Trolle
floh.
Auf der Lichtung lagen die Trolle verteilt. Die meisten waren in der Nähe der Hütte geblieben, nur einige ruhten mehr am Waldrand. Pard und Kerr lagen direkt vor dem Eingang, wie zwei schlafende Wächter. Auf Sten wirkten sie, als ob sie jeden Augenblick aufspringen würden, doch der Wlachake wusste, dass ihnen dies bei Tageslicht unmöglich war. Selbst Pards Züge, die normalerweise grimmig und unnahbar wirkten, hatten sich im todesähnlichen Schlaf entspannt. Dennoch umgab den mächtigen Troll wie stets eine Aura der Gefahr. Er war wie ein Schwert; selbst wenn es in der Scheide steckte, blieb es eine tödliche Waffe. Und es konnte einen selbst ebenso wie die Feinde vernichten. Es ist passend, dass Schwerter zwei Schneiden haben, dachte Sten bei sich. Eine weist immer auf denjenigen, der es führt. Ein Zeichen dafür, dass jeder Gebrauch auf einen zurückfallen kann.
Mit diesen düsteren Gedanken trat der junge Krieger an Natioles Grab. Seinen Freund hatte der lebenslange Kampf am Ende eingeholt. Das Glück, das ihm in zahlreichen Gefechten treu geblieben war, hatte ihn am Vorabend des Sieges verlassen, und nun konnte er nicht genießen, was er gesät hatte. Doch der neue Krieg hätte auch Natiole wieder zu den Waffen gerufen. Und wenn er nicht damals gestorben wäre, dann eben in der Trollschlacht oder im nächsten Krieg unseres Volkes. Es endet nie, und vielleicht sind die Toten um die Ruhe zu beneiden, die uns Lebenden verwehrt bleibt.
»Ihr begrabt eure Toten in der Erde, nicht wahr?«, ertönte Tarlins Stimme, der respektvoll einige Schritt hinter Sten stehen geblieben war. Natürlich hatte der Wlachake den Elfen nicht kommen hören. Die Vînai waren berühmt und berüchtigt für ihre Lautlosigkeit und die Fähigkeit, ungesehen und ungehört zu kommen und zu gehen, wie es ihnen beliebte.
Langsam drehte Sten sich um und nickte. »Wir Wlachaken, ja. Masriden, zumindest diejenigen, die es sich leisten können, verbrennen ihre Toten. Aber auch sie übergeben die sterblichen Überreste der Erde.«
»Ein guter Brauch«, erwiderte Tarlin bestimmt. »Die Erde des Landes ist ein guter Ort, um dort zu ruhen.«
»Die Trolle fressen ihre Toten. Als wären sie nur Fleisch.«
»Vielleicht ehren die Trolle sie so. Ihre Toten ruhen in ihnen.«
Daran hatte Sten noch keinen Gedanken verschwendet. Bislang war ihm der Kannibalismus der Trolle immer nur barbarisch und würdelos erschienen. Das Verspeisen der Toten war in Wlachkis geächtet, und auch die anderen Völker der Menschen sahen dergleichen als Verbrechen wider ihre Götter an. Von keinem anderen Volk war bekannt, dass es diesem Brauch frönte.
»Warum gehst du hierher?«, fragte Tarlin und riss Sten damit aus seinen Gedanken.
»Wir besuchen unsere Toten. Wir ehren sie an ihren Gräbern. Alles, was wir besitzen, ist von ihnen erbaut worden«, erklärte Sten und fügte in Gedanken hinzu: Aber niemand wird an Viçinias Grab trauern und ihrer gedenken.
»Ihr Menschen legt viel Wert auf euer Eigentum, auf den Besitz von Land und die Steinhütten, die ihr dort errichtet.«
Mit einem schwermütigen Lächeln nickte Sten. Sein Blick wanderte zu dem Wald, der selbst im Licht der aufgehenden Sonne düster wirkte, und zum Himmel, dessen helles Blau von roten Schwaden durchzogen war. Dann senkte er den Blick auf den Elfen, der ungerührt dastand und Sten unverwandt ansah. Die Augen des Vînak waren wie stets unergründlich. Es gelang Sten nicht einmal, ihre Farbe zu bestimmen. Sie wirkten im hellen Licht der Sonne eisblau, doch in der Dämmerung schienen sie silbrig oder sogar weiß zu sein. Sie drangen durch die Oberfläche von Stens Gedanken und sahen ihm direkt ins Herz.
»Wie haltet ihr dies?«, fragte der Wlachake, um diesem Blick zu entgehen, der seine tiefsten Geheimnisse zu erforschen schien.
»Wir übergeben unsere Toten der Natur. Wenn der Geist den Leib verlassen hat, ist Letzterer nur mehr ein leeres Gefäß. Der Wald nimmt sich zurück, was wir ihm genommen haben. Die Tiere und Pflanzen nehmen von unseren Toten, so wie wir von ihnen nehmen. Ein wenig wie ihr Menschen, nur ohne das ganze Gegrabe.«
Beide lächelten über den Scherz. Unvermittelt spürte Sten eine gewisse Verbundenheit mit dem Elfen. Also fragte er weiter: »Und Besitz? Land?«
»Das Land ist ewig, wer kann schon behaupten, es zu besitzen? Nein, das verstehen wir nicht. Es ist, als wolle jemand den Himmel oder die Wolken besitzen.«
»Vielleicht trifft das zu«, erwiderte Sten
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