Die Schlacht der Trolle
zögerlich. »Zumindest für euch. Doch aus unserer Sicht kann man Land besitzen. Oder zumindest jene beherrschen, die auf diesem Land leben.«
»Ihr macht euch das Land untertan. Ihr baut eure Hütten, und ihr rodet den Wald für eure Felder. So kann man das Land vielleicht in Besitz nehmen. Doch dafür nimmt das Land auch euch in Besitz.«
Verwirrt runzelte Sten die Stirn. »Was meinst du?«
»All unsere Schwierigkeiten entstanden stets durch die Ansprüche eurer Anführer. Wir sollten ihnen gehorchen, wurde uns gesagt, denn wir lebten in ihrem Land. Und ihr kämpft gegeneinander um euer Land.«
Auf diese Art hatte Sten noch nie darüber nachgedacht. Es stimmte, dass wegen des Landes Kriege geführt wurden, denn Land zu besitzen bedeutete Macht. Und Macht wiederum bedeutete Freiheit, denn die Wlachaken konnten unter der Herrschaft der Masriden nicht frei sein; ihre Freiheit hing davon ab, dass sie selbst ihr Schicksal bestimmten.
»Land ist Freiheit. Auf dem eigenen Land kann man frei leben.«
»Wir sind frei«, entgegnete Tarlin mit einem leichten Lächeln. »Auch ohne Land.«
»Die tiefen Forste sind euer, ob ihr sie beansprucht oder nicht. Niemand wagt sich dort hinein, weil man euren Zorn fürchtet.«
Ein leises Lachen antwortete dem Menschen. Belustigt schüttelte der Elf das Haupt, und seine langen, hellen Haare tanzten im Rhythmus seiner Bewegung.
»Ihr Menschen kommt immer mit den gleichen Absichten. Mehr Land, mehr Macht. Wir haben gelernt, vorsichtig zu sein. Wer in eure Angelegenheit hineingezogen wird, bezahlt einen hohen Preis. Es ist besser, ihr fürchtet uns.«
»Nicht alle Menschen sind so«, protestierte Sten.
»Mag sein, Freund Sten. Doch unsere Erfahrungen reichen weit zurück. Es ist besser so. Wir sind frei, wo ihr Menschen nicht seid; und ihr fürchtet den dunklen Forst, unsere Heimat.«
»Also beansprucht ihr doch Land«, stellte Sten triumphierend fest, doch der Elf bedachte ihn nur mit einem enttäuschten Blick.
»Dieses Land ist unsere Heimat. So wie es die eure ist. Wir leben in den Wäldern, fernab eurer Steinhütten. Es ist nicht unser Land, wir leben dort nur.«
Diese Gedanken des Elfen blieben Sten trotz aller Bemühungen verschlossen. Nachdenklich blickte der Wlachake auf Natioles Grab. Sein Kampfgefährte war im Krieg um Land gefallen. Vielleicht hat der Vînak recht. Wenn wir ohne Ansprüche im Land leben würden, dann ginge es uns möglicherweise besser. Aber was ist mit den anderen? Masriden, Dyrier - sie begehren unser Land, ob wir es nun für uns beanspruchen oder nicht. Wir haben nicht einfach um Erde und Häuser gekämpft, wir haben für mehr gekämpft. Natiole wusste das, ich weiß es.
»Was ist mit persönlichem Besitz?«, fragte Sten, um das Thema zu wechseln. »Gehören diese Dinge dir?«
Der Elf folgte Stens Fingerzeig zu den Beuteln, die er trug. Seine langen Finger glitten zu dem einfachen Gürtel, den er um seine schmalen Hüften geschlungen hatte. So weit Sten erkennen konnte, trug der Elf kein Metall am Körper, nur Holz, Bein, Leder und Stein.
»Dies ist meins. Aber wenn ein anderer aus meiner Sippe es dringender benötigt, wäre es seins.«
»Wie die Trolle«, erwiderte Sten mit einem Lachen. »Da kann sich auch jeder nehmen, was er will!«
Diesmal war es Tarlin, der verwirrt blinzelte. »Man kann es mir nicht einfach nehmen. Es ist mein.«
»Hast du nicht gerade gesagt, dass jemand anderer es von dir verlangen könnte?«
»Aber es ist meine Entscheidung, ob ich es ihm gebe. Für das Wohl der Sippe muss ich entscheiden«, erklärte der Elf ernst. »Da ich mich mit diesen Kräutern gut auskenne, sind sie mein.«
»Lebt ihr in Dörfern?«, fragte Sten, der mit den elfischen und auch trollischen Vorstellungen von Besitz wenig anfangen konnte.
»Nicht, wie du sie kennst. Viele von uns ziehen umher; nur wenige bleiben lange an einem Ort. Das Land ist weit.«
Nicht weit genug, als dass wir alle in Frieden leben könnten, dachte Sten bitter.
Der Elf sah ihn neugierig an. »Du fürchtest uns nicht«, stellte er fest.
»Nein. Ich glaube nicht, dass mir von deinem Volk Gefahr droht, Tarlin.«
»Nicht für dich«, bestätigte der Vînak. »Nicht hier und nicht jetzt. Aber die Zeit mag das ändern.«
»Wer weiß schon, was die Zukunft bringt?«
Ein Vogel begrüßte den neuen Tag mit seinem Lied. Die ersten Strahlen der Sonne fielen wärmend auf die Lichtung und vertrieben die langen Schatten des Waldes. Auf den Grashalmen funkelte ein wenig Tau.
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