Die Schlacht der Trolle
schienen. Sten fühlte sich von dem Gesang mitgetragen und verlor sich in der Musik, die seine eigene Zerrissenheit in sich trug und für alle sichtbar zu machen schien.
So wanderte er durch die Dunkelheit, begleitet von den Liedern der Trolle. Vielleicht sind sie uns doch ähnlicher, als ich glauben wollte, dachte Sten, während das Reich unter der Erde ihn aufnahm.
37
W er noch?«
»Stares, Antra, Odön, Zorge …«
Die Liste schien endlos weiterzugehen. Tamárs Finger schlossen sich so fest um die Kante des Tisches, auf den er sich stützte, dass seine Knöchel weiß hervortraten. In seinem Kopf kreisten die Namen der Gefallenen und Vermissten, die Rurjos mit eintöniger Stimme vortrug.
Dem jungen Marczeg war bewusst, dass ihn diese Aufzählung wütend machen sollte. Er wollte hassen, doch er war zu keiner starken Empfindung mehr fähig. Nur dumpfe Verzweiflung regte sich in seinem Inneren, die alle anderen Gefühle unter sich begrub.
»Ein Desaster«, schloss Rurjos seine Ausführungen. »Und es ist noch nicht vorbei.«
»Gibt es noch mehr schlechte Nachrichten?«, fragte Tamár, ohne aufzublicken und den älteren Mann anzuschauen.
»In der Tat. Die Berichte unserer Späher.«
»Lass mich raten: Szilas ist uns auf den Fersen?«
»Er ist nach Westen geschwenkt. Seine Reiterei ist bereits am Magy angekommen.«
Überrascht sah Tamár den Veteranen an, dessen Miene von Erschöpfung und Sorgen gezeichnet war. Der harte Marsch auf der Flucht nach Süden war auch an Tamár nicht spurlos vorübergegangen, doch Rurjos wirkte nur noch wie ein Schatten seiner selbst.
»Nach Westen?«, hakte der junge Marczeg nach. Rasch entrollte er die Karte auf dem Tisch. Mit dem Finger folgte er dem Verlauf des Magy, an dessen Ufer die Reste des Bündnisses ihr Lager aufgeschlagen hatten.
»Damit steht Szilas zwischen uns und Teremi. Den Wlachaken ist der Rückweg abgeschnitten.«
»Nicht nur ihnen«, warf Rurjos finster ein. »Im Nordwesten steht Szilas mit dem Hauptteil seiner Armee. Im Westen wartet seine Reiterei, die jeden Versuch durchzubrechen lange genug aufhalten kann, um nachrückenden Fußtruppen einen Angriff zu ermöglichen. Im Süden liegt der Magy, den wir ohne Boote nicht überqueren können.«
»Wir können nach Osten ziehen, tiefer ins Sireva.«
»Und dann? Turduj wird noch von Szilas’ Soldaten gehalten. Die einzige Hoffnung wäre ein schneller Sturm. Kann der Drache die Stadt aber halten und uns zu einer Belagerung zwingen, rückt seine Armee nach und zerschmettert uns vor den Mauern unserer eigenen Stadt!«
Obwohl Tamár die Worte des Veteranen sorgfältig abwog, fand er keinen Fehler in dessen Einschätzung.
»Wohin sonst?«, fragte Rurjos grimmig, doch Tamár wusste keine Antwort. Bleibt nur der Weg nach Norden in die unwegsamen Berge. Aber dort werden wir nicht mehr als ein Haufen Gesetzloser sein, die sich in den Tälern verstecken. Ich kann nicht hoffen, dort genug Krieger zu finden, um Szilas noch einmal offen die Stirn zu bieten.
Auch Rurjos schienen ähnliche Gedanken zu beschäftigen, denn er kratzte sein unrasiertes Kinn und schüttelte mutlos den Kopf. »Wenn wir uns jetzt verbergen, wird Szilas seinen Sieg verkünden und sich möglicherweise gleich auf den Thron von Ardoly setzen. Wie viele Masriden werden zu ihm strömen, wenn er die erneute Unterwerfung der Wlachaken verspricht?«
»Zu viele«, murmelte Tamár. Noch waren die Soldaten im Lager ausgelaugt und von dem Schrecken der Niederlage betäubt. Doch schon bald würde sich Unmut rühren. Obwohl es gegen jede Hoffnung gelungen war, sich nicht in heilloser Flucht, sondern geordnet von Marczeg Laszlárs Schlachtreihen zu lösen, waren die Verluste grausam gewesen. Die Moral der Krieger hing nur noch an einem
seidenen Faden, und dieser mochte jederzeit reißen. Der junge Marczeg konnte die Unruhe und Angst im Lager spüren, er sah sie in den Augen seiner Krieger, hörte sie in den geflüsterten Kommentaren am Feuer.
»Schaff mir Nemes Flores herbei«, befahl er rau. »Ich muss mich mit ihr besprechen.«
Ohne Rurjos anzusehen, wusste Tamár, dass sich in der Miene des älteren Mannes Verachtung zeigte. Aber der Veteran widersprach nicht, sondern trat wortlos aus dem Zelt und verschwand. Mit einem Seufzen setzte Tamár sich in den niedrigen Stuhl und betrachtete gedankenverloren die Karte des Landes, das ihm Stück für Stück entglitt. Erst als sich der Vorhang des Einganges hob, blickte der Marczeg wieder auf.
Auch
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