Die Schlacht der Trolle
und stürzte auf die Knie.
Mit ungeahnter Wucht kehrten die Stimmen zurück, die unablässig auf Viçinia einredeten. Sie sah das brennende Teremi, den toten, geschändeten Leib ihrer Schwester, ihren Mann, aus entsetzlichen Wunden blutend. Trauer und Angst drohten sie zu überwältigen, bis eine Berührung die Nachtgesichter vertrieb. Sten stand neben ihr, und seine Hand umfasste ihren Arm. Aus einer Schramme an der Stirn lief ihm Blut, das er achtlos mit der Hand wegwischte.
»Nicht daran denken.«
Seine Stimme war warm; ihr Klang übertönte das gehässige, wortlose Flüstern in ihrem Geist. Dankbar lächelte sie ihn an. Dann fiel ihr Blick wieder auf Kerr, dessen Augen in eine andere Welt zu blicken schienen. Turk trat an den jungen Troll heran und legte seine Hand auf dessen Schulter. »Gut gemacht.«
Verwirrt schaute Kerr den Anführer an, blinzelte zweimal und nickte dann langsam.
»Was hast du getan?«
»Ich habe es gesehen«, flüsterte der junge Troll.
»Was? Was hast du gesehen?«
»Alles!«
Sten ging zu Pard und kniete sich neben den verletzten Troll.
Pard grinste blutig. »Ich habe gesiegt«, raunte er grimmig.
»Das hast du«, bestätigte Sten. Viçinia konnte die Trauer in seiner Stimme hören. Pards Wunden waren tief; es war ein Wunder, dass er überhaupt noch atmete. Zu seinen Füßen lag Andas regloser Körper. Ihrer beider Blut vermischte sich auf dem Felsboden.
Ein Schrei ließ sie alle herumfahren. Aus einem Gang, der vom Schacht wegführte, kam einer der Späher gelaufen. Sein Blick wanderte über das Schlachtfeld, und seine Augen wurden groß.
»Was?«, herrschte Turk ihn an.
»Da sind mehr Feinde«, antwortete der Späher aufgeregt. »Viele, zwei oder drei Hände. Sie kommen durch den Gang!«
Sofort wandte sich Turk an Kerr: »Heilen ihre Wunden nie mehr?«
»Ich weiß es nicht. Das Herz schlägt wieder in der Welt, wie vorher.«
»Kannst du das noch einmal machen?«
Matt schüttelte der junge Troll den Kopf.
»Dann müssen wir hier weg. Zum Schacht!«
»Die Verletzten, sie können nicht schnell genug klettern«, widersprach Kerr ernst. »Diese Wunden brauchen lange, bis sie heilen.«
»Noch so einen Kampf stehen wir nicht durch.«
Turk schien verzweifelt, er blickte sich wild um, als suche er nach einer Öffnung, einer Möglichkeit zur Flucht. Viçinia nahm eine Bewegung wahr. An der Wand zog sich Pard langsam hoch. Seine Züge waren schmerzverzerrt, aber er löste sich vom Gestein und trat bedächtig vor.
»Führ sie hinaus, Turk. Es ist jetzt dein Stamm.«
Pards Blick fiel auf Kerr, der den großen Troll anstarrte. Er nickte ihm langsam zu: »Schreib auf, was ich getan habe; was ich tue.«
Stumm nickte der junge Troll.
Pard schritt an ihnen allen vorbei, eine Hand in die Seite gepresst, wo sein Lebenssaft aus der furchtbaren Wunde lief. Viçinia konnte sehen, dass jeder Schritt dem mächtigen Troll schwer fiel, aber er ging weiter, setzte einen Fuß vor den anderen, bis er in den Gang trat.
Ein Heulen ertönte, das Heulen von Andas Trollen, voller Zorn und Hass.
»Ihr habt ihn gehört! Wir verschwinden von hier!«, befahl Turk und wollte sich abwenden, da hielt Sten den Troll am Arm fest. »Was tut er da?«
»Er wird sie aufhalten«, antwortete Turk, dann wandte er sich an seine Trolle: »Nehmt die Verwundeten.«
»Nehmt den Elfen mit«, flüsterte Kerr. »Er gehört nicht hierher.«
Ein Krachen ertönte aus dem Gang, dann noch eins. Im Dämmerlicht sah Viçinia Pard, der sich mit großer Wucht gegen die Felswand warf. Die massige Gestalt des großen Trolls brach Steinbrocken aus der Wand, Staub wallte auf, eine helle Wolke aus zermahlenem Gestein. Wieder prallte Pard mit aller Macht gegen die Wand; Viçinia konnte den Aufprall in ihren Beinen spüren.
»Los!«, schrie Turk und lief davon. Die Trolle folgten ihrem Anführer. Sie schleiften die Verwundeten mit sich. Auch Kerr brauchte Unterstützung, und einer hatte sich Tarlins leblosen Leib über die Schulter geworfen. Nur Viçinia konnte ihren Blick nicht von Pard abwenden, der allein im Gang stand und auf den harten Fels einschlug.
Sten nahm ihre Hand in die seine. »Komm«, bat er leise.
Erst als die massige Gestalt des Trolls vom wallenden Staub verschluckt wurde, folgte die Wlachakin ihrem Mann aus der Höhle.
Hinter ihnen ertönte ein ohrenbetäubendes Donnern.
56
D er Himmel sah aus wie flüssiges Blei. Während über den undurchdringlichen Wolken die Sonne aufging, nahm die graue Welt
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