Die Schlacht der Trolle
erst Konturen und dann Farbe an. Die kühle Nässe des Morgens legte sich auf Sargans Geist. Er hatte das Gefühl, als ob alle Augen im Lager auf ihn gerichtet wären. Während Balaos und seine Sylken die Pferde bereit machten, stand Sargan unter einem Vordach und blickte regungslos zu seiner Leibwache hinüber. Nur wenige Tropfen trafen das kostbare Gewand, das der Dyrier heute angelegt hatte. Bevor das Grau gänzlich vom Licht vertrieben wurde, kehrte Balaos zu Sargan zurück und berichtete: »Es ist alles bereit, Gebieter.«
»Sehr gut. Wartet auf mich.«
Der Sylke zog sich mit einer Verbeugung zurück, während Sargan durch das Lager schritt. In der Mitte der Linien hatten die Krieger eine Plane zwischen drei Pfosten gespannt, die den Regen leidlich abhielt. Unter der Plane waren Flores und Tamár gerade dabei, über den möglichen Verlauf der Schlacht zu diskutieren, als Sargan zu ihnen trat.
»Ich möchte mich von Euch verabschieden«, verkündete Sargan ernst.
»Nun denn«, erwiderte Tamár, der seine Freude über diesen Umstand nur schwer verbergen konnte. »Reisende soll man nicht aufhalten. Möge das Göttliche Licht Eure Wege bescheinen, Legat.«
»Und mögen die Götter Euch Glück bescheren.«
Mit einem schwer zu deutenden Blick zu Flores wandte sich der Masride ab und lief zu Baró Rurjos.
»Kopf hoch«, flüsterte die Wlachakin Sargan zu.
»Was?«
»Nicht alle hier haben so eine schlechte Meinung vom Gesandten des Dyrischen Imperiums wie der Marczeg.«
»Das ist gut zu wissen«, erwiderte Sargan säuerlich. »Ich bin sicher, Marczeg Békésar hat einen triftigen Grund für seine Gefühle.«
»Er verfällt leicht dem Gedanken, dass jemand, der nicht für ihn ist, gegen ihn sein muss.«
»Und überdies ist er eifersüchtig wie ein verliebter Kater«, murmelte Sargan.
Flores musterte ihn zunächst verdutzt und zog dann zornig die Stirn in Falten, doch schließlich musste sie grinsen. »Eifersüchtig? Dein Selbstbewusstsein hat jedenfalls nicht unter dem Regen gelitten, nicht wahr? Tamár kennt dich einfach nicht so gut wie ich. Ich weiß, dass eine Schlacht kein geeigneter Ort für Sargan Vulpon ist.«
»Man hat mich daran erinnert, dass ich mehr repräsentiere als nur mich selbst. Meine Anwesenheit hier ist nicht erforderlich und wird auch niemandem von Nutzen sein. Sie ist sogar ganz im Gegenteil gefährlich. Deshalb muss ich aufbrechen. Ich bin das Goldene Imperium.«
Amüsiert zog Flores eine Augenbraue hoch.
»Das sind nicht meine Worte«, stellte Sargan klar und sah bescheiden zu Boden. Der allgegenwärtige Schlamm hatte den Saum seines goldenen Gewandes beschmutzt. »Sondern die meiner Untergebenen.«
»Natürlich.«
»Jedenfalls wünsche ich dir viel Glück.«
»Danke. Wenn die nächsten Tage hier schlecht laufen, dann komme ich vielleicht auf dein Angebot zurück.«
Verzweifelt zermarterte Sargan sich den Schädel, welches Angebot sie meinen könnte. Sehe ich da einen Lichtstrahl am Horizont und bekomme doch noch eine temperamentvolle vierte Frau? Aber als Flores seinen Gesichtsausdruck sah, erklärte sie: »Die Reise ins Imperium.«
»Tatsächlich? Du würdest Wlachkis hinter dir lassen? Und den jungen Marczeg mit dazu?«
»Nein«, seufzte Flores. »Vermutlich nicht. Zumindest nicht, solange ich hier gebraucht werde. Aber der Gedanke ist verlockend.«
»Ich stehe zu meinem Wort.«
»Das weiß ich. Deshalb musst du mir etwas versprechen.«
»Ja?«
»Wenn wir verlieren, dann musst du versuchen, meinen Bruder und Viçinia zu finden. Şten soll erfahren, dass seine Frau noch lebt. Er selbst wird Wlachkis niemals verlassen, solange er lebt, aber wenn alle unsere Hoffnungen sterben, dann musst du Viçinia in Sicherheit bringen. Wenn Szilas das Land beherrscht, dann gibt es die hier nirgendwo für sie. Und Viçinia ist die letzte Bojarin von Dabrân und die Erbin der Voivodenwürde. Gewähre ihr und ihrem Kind Schutz im Imperium.«
Der drängende Tonfall und die Bitte selbst überraschten Sargan. Es muss schlecht stehen für ihre Sache, wenn sie mir das Leben ihrer Schwägerin in die Hände legen will. Und Viçinias Kind? Offenbar hat Freund Sten daheim in seiner Baronie doch nicht nur an den Wiederaufbau gedacht. Ob er davon weiß? Doch ohne eine Gegenfrage zu stellen, antwortete er: »Ich werde es versuchen.«
»Danke. Und sichere Wege, Sargan.«
Einen Moment lang blickte er die Wlachakin noch an. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Dann wandte er sich ab, ohne noch ein
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