Die Schlacht der Trolle
Durch Schlitze in den Wänden fiel Licht in den Saal, das von sicherlich zwei Dutzend Kerzen verstärkt wurde, die in schmiedeeisernen Haltern an den Wänden steckten. Das dunkle Gestein der Sorkaten war ansonsten mit Wandteppichen verhängt, welche die Heldentaten des Geschlechtes Békésar zeigten. Linkerhand war die Eroberung Wlachkis’ zu sehen, unter König Arkas Dîmminu, der in der berühmten und berüchtigten Schlacht an den Furten des Iames das letzte Aufgebot der Wlachaken überwand und Tirea, den Kralj der Wlachaken, erschlug. Direkt daneben hing eine Darstellung der Einigung von Teremi, wo die drei Söhne des Arkas das unterworfene Land unter sich aufteilten und die drei Herrscherlinien der Masriden gründeten. Eine dieser Linien war diejenige Marczeg Gyula Békésars, die zweite die Marczeg Laszlár Szilas’, des Herrn des Valedoara im Südosten. Die dritte Linie war mit Zorpad untergegangen. Natürlich kannte Viçinia all die Geschichten, denn die Uneinigkeit der masridischen Herrscherhäuser war stets eine der wenigen politischen Waffen in den Händen der letzten Freien Wlachaken gewesen.
Auf den Wandteppichen waren auch Wlachaken zu sehen, meist den Masriden unterlegen. So war hier die wenig ruhmreiche Geschichte ihres Volkes in den letzten zwei Jahrhunderten vor Viçinias Augen ausgebreitet, all die verlorenen Gefechte und Schlachten. Und dennoch hatten Ionna und Sten es geschafft, ihr Volk so weit zu einen, dass es den mächtigsten Herrscher der Masriden, Zorpad Dîmminu, besiegen konnte. Zum ersten Mal traten die Wlachaken den Masriden auf gleicher Höhe entgegen, aus einer Position der Stärke. Was werdet ihr jetzt wohl auf eure Wandteppiche sticken?, fragte sich Viçinia nicht ohne Befriedigung.
Doch im Moment galt es, einen Frieden auszuhandeln, der allen Beteiligten die nötige Ruhe gab, das von jahrhundertelangen Kriegen zerstörte Land wieder aufzubauen. Also verneigte sie sich tief vor Gyula Békésar, der hoch aufgerichtet auf seinem Thron saß, und ihre Begleiter taten es ihr gleich.
Die Miene des Marczegs, der in feines, weiches Leder gekleidet war, das mit silbernen Pelzen verbrämt war, blieb ausdruckslos. Sein graues Haar war fast bis auf die Haut kurz geschoren, und tiefe Falten hatten sich in sein Gesicht gegraben und ihn vor der Zeit altern lassen. Nur die dunklen Augen wirkten lebendig, und ihr Blick ruhte prüfend auf den wlachkischen Neuankömmlingen.
»Und?«, fragte der Marczeg unvermittelt, und Viçinia runzelte die Stirn.
»Verzeiht, wir wurden nur informiert, dass eine dringliche Angelegenheit unser sofortiges Erscheinen nötig macht. Allerdings hat man uns noch nicht erklärt, welcher Art diese Angelegenheit ist.«
»Haltet mich nicht zum Narren! Meine Geduld ist nicht endlos!«
Verblüfft starrte die Wlachakin den älteren Mann an und rang einen Augenblick um Fassung, bevor sie vorsichtig mit bewusst neutraler Stimme erklärte: »Ich verstehe Euch nicht, Marczeg.«
Mit einer ruckartigen Bewegung lehnte der Masride sich nach vorn. Seine Finger umklammerten die Lehnen des Thrones so fest, dass die Adern auf seinen Handrücken hervortraten.
»Ich rede von den Übergriffen! Von den Attacken durch diese Kreaturen!«
Plötzlich wurde sich Viçinia bewusst, wie gefährlich ihre Situation war. Zwar wusste sie nicht, wovon der Marczeg sprach, doch befanden sich überall Krieger in der Festung. Wenn dieses Missverständnis nicht bald aufgeklärt wurde, würden auch Flores’ weithin gerühmte Waffenkunst und ihre wenigen Krieger ihnen nicht helfen. Also besann sich die Wlachakin und versuchte, äußerlich gelassen zu bleiben, während sie fieberhaft nachdachte.
»Ihr müsst mir verzeihen, Marczeg. Ich weiß nichts von Kreaturen und Übergriffen. Meine Schwester, die Voivodin Ionna, hat jeglichen Angriff untersagt. Wenn es dennoch zu solchen Vorfällen gekommen ist, muss es sich um die Taten von Freischärlern oder Gesetzlosen handeln.«
»Gesetzlose?«, ereiferte sich der Masride. »Ihr nennt diese Dunkelgeister Gesetzlose? Ihr hetzt Trolle auf mein Volk und wollt mich mit solchen Lügen abspeisen?«
»Trolle?«, entfuhr es Flores, doch ein warnender Blick von Viçinia brachte sie wieder zum Schweigen. Stattdessen antwortete die Bojarin: »Unser Kontakt zu den Trollen ist nach den Ereignissen des letzten Jahres abgebrochen. Sie sind weder unsere Verbündeten noch haben wir irgendeinen Einfluss auf sie.«
»Sie kämpften an eurer Seite, aber jetzt habt ihr keinen
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