Die Schlacht der Trolle
wartenden Menschen hatten ihre Habseligkeiten auf die Handkarren geladen und ihre Bündel geschnürt. Auch einige Schwerverletzte und Alte lagen auf den Karren. Alle anderen würden laufen müssen.
»Wir werden jetzt aufbrechen«, kündigte Viçinia an, ohne ihre Stimme zu erheben. »Nehmt eure Sachen und folgt mir. Leise.«
Viele der Gesichter waren ernst, hier und da flossen Tränen. Aber Viçinias ruhige Worte zeigten Wirkung; es kam Bewegung in die Menge. Sie sind mutiger, als sie glauben. Sie verlassen Feste und Stadt, ihre Heimat, für einen Weg voller Gefahren.
Hoch aufgerichtet stand Viçinia da, gab Anweisungen und half Einzelnen ihre Bündel zu schultern. Nur sie selbst bemerkte das Zittern ihrer Hände. Denn die Menschen brauchten Zuversicht, sie brauchten eine Anführerin. Nur wenn die Fliehenden glaubten, dass die Bojarin oder Sanyás einen Weg wussten, um zu überleben, würden sie ihre Ängste überwinden.
Es dauerte lange, bis die Letzten den Saal verließen, doch trotz ihrer eigenen Ungeduld hetzte Viçinia sie nicht. Schließlich standen sie alle im Hof, schweigend, wie es nachdrücklich befohlen worden war. Für eine Gruppe dieser Größe waren die Menschen beinahe unheimlich still.
Als Viçinia das Nicken der Soldatin im Turm sah, trat sie in den Bergfried. Dort wurde sie schon von Sanyás und den weiteren Kriegern erwartet.
»Der Ausstieg ist frei. Ich habe eine Wache dort postiert, die uns warnen kann, falls sich dies ändert.«
»Gut«, erwiderte die Wlachakin und nickte dem Sonnenmagier zu. »Dann brechen wir auf. Je eher, desto besser.«
An die Soldatin gewandt, fügte sie hinzu: »Sag dem Marczeg, dass wir jetzt gehen. Dann komm als Letzte nach. Ihr anderen entzündet Fackeln und verteilt sie unter denjenigen, die hinuntergehen.«
Sie selbst nahm eine Fackel und trat in den Hof, wo Hunderte von Augen auf sie gerichtet waren.
»Folgt mir.«
Der schlichte Befehl hing in der Luft, und einen Moment lang dachte die junge Adlige, dass niemand ihn befolgen würde. Doch dann schritten die Ersten aus, und Viçinia drehte sich um und stieg hinab in den feuchten Keller unter dem Bergfried, wo der Eingang zum Fluchttunnel lag.
Diesmal trat sie in das Wasser, das ihr hier schon bis über die Knöchel reichte. An der Spitze des Trupps schritt sie in den gewölbten Gang, an dessen groben Steinwänden Flechten und Moose wuchsen. Hinter ihr platschten unzählige Füße durch das Nass. Das Rumpeln der Handkarren, die vorsichtig die Treppenstufen hinabgelassen wurden, erschien Viçinia wie das Donnern eines Gewitters. Fluchen wurde laut, eine ältere Frau schluchzte, und einige Kinder begannen zu weinen.
»Leise«, befahl Viçinia rückwärtsgewandt. »Der Weg ist nicht lang.«
Ihr Rock sog sich langsam mit dem kühlen Wasser voll, und auch ihre hohen Lederstiefel wurden unangenehm kalt, obwohl sie frisch eingefettet waren. Zum Glück ist es Sommer. Auch so schon wird eine lange Wanderung für viele eine große Anstrengung sein. Mögen die Geister uns das sonnige Wetter der letzten Wochen erhalten, um unsere nassen Kleider zu trocknen. Mit einem Mal wurde der Wlachakin klar, dass Sanyás, der neben ihr ging, vermutlich ein ähnliches Stoßgebet an sein Göttliches Licht gesandt hatte.
Hier, tief unter der Erde, auf einem Weg mit ungewissem Ende, erschienen Viçinia die Unterschiede zwischen Masriden und Wlachaken plötzlich gar nicht mehr so groß.
Obwohl sie wusste, wie lang der Gang sein musste, hatte die Wlachakin das Gefühl, dass sie schon seit Stunden im kalten Wasser unterwegs waren. Die Menschen folgten ihr leise; bis auf das Stöhnen der Verwundeten und das Schluchzen der Kinder waren kaum Laute zu hören, so als hätte die Ungeheuerlichkeit der Flucht allen die Stimmen geraubt.
Endlich sah sie weiter vorn ein zaghaftes Licht, das sich schließlich als eine kleine Laterne entpuppte, die in einer Nische stand. Im Lichtschein der Laterne konnte Viçinia einige schiefe Treppenstufen sehen, die nach oben führten.
»Wartet«, befahl sie ruhig, und die Kolonne hinter ihr hielt an. Geduckt lief die Wlachakin zu der Treppe und sah hinauf. Doch außer einem Vorhang aus Blättern konnte sie oben nichts erkennen. Unvermittelt teilte dieser sich und enthüllte ein dunkles Gesicht.
»Hier ist alles ruhig«, berichtete die Soldatin und grinste. Ihre Zähne hoben sich hell von der schmutzigen Haut ab.
Mit einem Wink rief Viçinia die Flüchtlinge zu sich und trat selbst die Stufen hinauf in die
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