Die schlafende Armee
er herum, steckte die Waffe wieder ein und stürzte sich mit bloßen Händen wieder in den Kampf. Sein Eingreifen hatte die Situation schlagartig geändert. Die Ratten waren den Jared noch immer überlegen, aber jetzt, wo sie keinen Nachschub mehr erhielten, wurden die Barbaren leichter mit ihnen fertig. Immer mehr und mehr der Riesennager fielen tot oder schwer verwundet zu Boden, und schließlich waren es nur noch drei oder vier, die angstvoll zurückwichen und sich in einer Ecke des Raumes zusammendrängten. Kyle zog seine Pistole und legte auf sie an, doch in diesem Moment fiel ihm einer der Jared, der zuvor noch mit einem Stein auf die Ratten eingedroschen hatte, in den Arm und schüttelte den Kopf. Kyle stieß ihn zur Seite, aber der Jared vertrat ihm blitzschnell wieder den Weg. Verblüfft ließ Kyle die Waffe sinken und blickte abwechselnd auf die Jared und die Ratten, die sich in der Ecke zusammendrängten. Der Jared wandte sich zu den Tieren um, hob langsam die Hand, deutete erst auf sie und dann in einer übertriebenen Geste auf den Tunnel, aus dem die Ungeheuer gekommen waren. Ungläubig und vollkommen verwirrt beobachtete Kyle, wie sich die Ratten langsam umwandten und eine nach der anderen wieder in der Öffnung verschwanden. Ein leises Wimmern ließ den Megamann herumfahren. Gurk war auf die Knie herabgefallen und preßte stöhnend die Hände gegen den Oberkörper. Er blutete aus einem Dutzend tiefer Wunden, und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Aber Kyle schenkte ihm nur einen flüchtigen Blick, dann ließ er sich neben Helen auf die Knie sinken und drehte sie vorsichtig herum. Er erschrak zutiefst, als er sie ansah. Ihre Augen waren starr. Eine Ratte hatte ihr die Kehle durchgebissen. »Nein!« flüsterte er entsetzt. »Kannst du ihr helfen?« fragte Gurk. Mühsam schüttelte Kyle den Kopf. Helen war tot. Er konnte eine Menge tun, aber er konnte keine Toten zum Leben erwecken. »Was ist passiert?« flüsterte Kyle. Plötzlich packte er den Zwerg und schüttelte ihn wild. »Warum hast du sie nicht beschützt?!« Gurk befreite sich aus seinem Griff und schob seine Hände fast behutsam zur Seite. »Sie hatte keine Chance«, sagte er leise. »Sie war die erste, über die sie herfielen. Ich konnte nichts tun.« Kyle traten Tränen in die Augen. Zärtlich nahm er Helen in die Arme, berührte ihr Gesicht und schloß ihre Augen. Die Wunde in Helens Kehle sah winzig aus, fast lächerlich gegen die tiefen Biß- und Rißwunden, die Gurk und die Jared davongetragen hatten. Und es kam Kyle so ungerecht vor, so grausam - von ihnen allen hatte dieses Mädchen am wenigsten mit ihrem Krieg gegen Stone und seine Heerscharen zu tun. Warum mußte sie sterben? Als er den Blick nach einer Weile wieder hob, bemerkte er, daß Gyell und andere Jared das Gewölbe betreten hatten und begannen die Körper ihrer toten oder verletzten Kameraden herauszutragen. Ihre Bewegungen waren dabei so präzise und zugleich teilnahmslos, daß sie fast an Maschinen erinnerten. Gyells Blick glitt über Helens reglose Gestalt. Dann sah er den Megamann an. »Willst du, daß sie lebt?« Kyle hörte, wie Gurk neben ihm scharf die Luft einsog. Einen Herzschlag lang starrte er den Jared mit einer Mischung aus Unglaube und Schrecken an, dann sah er auf den verletzten Techniker herab. So entsetzlich der Anblick war, der Mann lebte, auf eine andere, völlig unbegreifliche Art zwar, aber er lebte. Ohne ein Wort hob Kyle Helen auf, und Gyell interpretierte sein Schweigen als die Zustimmung, die es darstellte.
Kapitel 14
Generalmajor Krämer war ein kleiner, untersetzter Mann mit grauen Haaren. Er trug eine maßgeschneiderte Uniform, aber die Art, auf die er sich bewegte, ließ sie trotzdem so aussehen, als wäre er in den Anzug seines großen Bruders geschlüpft. Seine Stimme war leise und hätte angenehm geklungen, hätte er nicht die Angewohnheit gehabt, sich mit knappen, fast abgehackt wirkenden Sätzen auszudrücken. Allerdings hatte Charity selbst fast die meiste Zeit geredet; die gleiche Geschichte, die sie seit ihrem Erwachen schon unzählige Male erzählt hatte und die Krämer garantiert bereits kannte, denn er hatte das Gespräch gleich mit der Bemerkung eröffnet, daß Leutnant Hartmann ihn bereits über Funk über das Wichtigste informiert hatte. Trotzdem hatte er aufmerksam zugehört, während sie ihm erzählte, was sie seit ihrem Erwachen in den Ruinen von SS01 erlebt hatte. » ... und jetzt sind wir hier«, schloß
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