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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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Preis hat. Ich war gefangen, genauso wie das tumbe Volk, das alles befolgt, was man es heißt. Meine Macht hatte mich keinen Deut freier gemacht. Dies ist, was sich mir aufs Bitterste mitteilte – nach einiger Zeit.“

    Darius hatte schweigend zugehört. Vieles von dem, was Harlan erzählt hatte, war ihm nur zu vertraut.
    „Und was ist aus Olov geworden?“
    „Olov? Den habe ich renaturieren lassen.“

Memento, Domine,
    famulorum famularumque tuarum,
    qui nos praecesserunt cum signo fidei,
    et dormiunt in somno pacis.
    Ipsis, Domine, et omnibus in Christo quiescentibus,
    locum refrigerii, lucis et pacis,
    ut indulgeas, deprecamur.
    Per eumdem Christum Dominum nostrum.
    Amen.
    Lateinische Messe

    P farrer Anselm Schwarzkrugs Atem rauchte aus dem Mund in der eiskalten, aber dennoch vollbesetzten Kirche, als er feierlich die Hände hob und sang:
    „Dominus vobiscum!“
    „Et cum spiritu tuo!“ antwortete die Gemeinde.
    „Benedicat vos omnipotens Deus Pater, et Filius, et Spiritus Sanctus.”
    „ Amen! ”
    „Ite missa est!“
    „ Deo gratias! “

    Der Klang der Orgel verkündete feierlich das Ende der Messe, der letzten diesen Jahres 1821. Pfarrer Anselm ging die Stufen hinab, verharrte noch einige Augenblicke andächtig, flankiert von seinen Ministranten, blickte noch einmal demütig zum Altar. Mit einem letzten Kniefall entließ er dann auch sich selbst aus seinem Dienst, und begab sich langsam und feierlich in die Sakristei. Das Rascheln und Scharren in seinem Rücken verriet ihm, dass die Gläubigen seiner Gemeinde ebenso aufbrachen.
    Sie würden sich jetzt alle Zuhause versammeln und festlich den Ausklang des Jahres begehen, die Familien, Paare, Sippen. Wie wundervoll es sein mochte, eine Familie zu haben. Zu solch feierlichen Zeiten wurde es ihm besonders schmerzhaft bewusst, wie einsam er manchmal war.
    Die Ministranten hatten sich längst eilig verabschiedet, als Pfarrer Anselm bedächtig seine Stola, dann das Priestergewand ablegte. Er unterdrückte jenes nur allzu bekannte Gefühl, das ihn an jedem Silvesterabend beschlich. Das leichte Zittern seiner Hände, das Vibrieren seiner Lippen, das nervöse Bedürfnis, hin- und herzugehen.
    Heute sollte der Abend anders verlaufen als sonst. Er war eingeladen und versuchte, sich darauf zu freuen. Hildegard, Adele und Auguste Schickendanz, die drei alleinstehenden älteren Schwestern, hatten ihn zum Silvestermahl geladen. Er versuchte, sich auf den angekündigten Rinderbraten mit Klößen und einen guten Schluck Wein zu freuen.
    Er sah sich flüchtig um. Das einzige Fenster der Sakristei war mit Eisblumen überwuchert und auf dem Messkelch, den er gerade verstaut hatte, hatte sich bereits während der Messe eine dünne Schicht Eis gebildet. Fahrig glättete er mit einigen schnellen Strichen seine Soutane, hüllte sich in seinen einzigen Lodenmantel und setzte das Birett auf. Dann löschte er das Licht, und trat durch den kleinen Seitenausgang ins Freie.
    Das Mondlicht glitzerte auf der kristallenen Schneeoberfläche. Die Nacht war sternenklar und der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln. Mit jedem Schritt, den er sich von der Kirche entfernte, wurde es ihm leichter. Er hoffte, das Silvestermahl werde so lange wie möglich dauern, am besten bis in die Morgenstunden, obgleich er sich wegen dieses begehrlichen Gedanken schalt.
    Nein, um das gute Essen ging es ihm auch gar nicht. Es ging ihm noch nicht einmal um das gemütliche Beisammensein, obwohl er auch dies schätzte. Er wollte nicht zu Hause sein in dieser Nacht.

    Der Braten war saftig, der Wein fruchtig und schwer, und ein lustiges Feuer prasselte im Kamin. Pfarrer Anselm scheute heute nicht, sich nachschenken zu lassen. Die Schickendanz-Schwestern waren auf ihre Art eifrig bemüht, ihm einen schönen Abend zu machen. Alle drei waren unverheiratet und in einem etwas undefinierbaren Alter zwischen fünfzig und sechzig – wenn Pfarrer Anselm nicht die genauen Geburtstage bekannt gewesen wären. Er kannte die Geburtdaten aller seiner Gemeindemitglieder und noch reichlich mehr. Die meisten Geheimnisse teilte er allein mit Gott. Und doch wünschte er sich zuweilen sehnlichst, dieses oder jenes mit einer lebenden Seele teilen zu können, im Hier und Jetzt.
    Sonderlich anregend waren die Gespräche am heutigen Abend leider nicht. Adele, die mittlere der drei Schwestern, schwatzte unaufhörlich über verschiedene Kochrezepte, während Auguste, die jüngste, sie ständig zu unterbrechen suchte, um ihre

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