Die schlafende Stadt
Vorbereitungen!“ trumpfte Robin auf. „Selbststudium nennt man das! Auf sowas kommt so ein Asi natürlich nicht!“
„Das mag ja, sein, er ist ein etwas roher Mensch. Aber sieh dich doch mal um: Hier kannst du doch kein Mädchen empfangen.“
„Jetzt fall’ du mir auch noch in den Rücken!“ jaulte Robin und vergrub sein Gesicht schluchzend zwischen den Knien.
„Aber mein Junge! Ich bin doch immer an deiner Seite!“
Sie streichelte ihren Sohn. Nach einer Weile erhob sie sich, und begann, Robins Geschirr zu spülen.
Robin hörte das Geklapper in der Küche mit Erleichterung. Nichts verabscheute er so sehr wie Hausarbeit. Er würde es seinem ungehobelten, neureichen Möchtegern-Diktator von Vater schon noch zeigen. Während der seine Angestellten in seiner Likörfabrik verschliss, würde Robin einst den Menschen helfen. Der Kerl hatte einfach nicht sein Niveau.
Leider war er noch dazu verdammt, in seines Vaters Appartement zu hausen, denn das bisschen Geld, das sein Zivildienst abwarf, gab er für Fachbücher und Klamotten aus. Der gestrige Frisörbesuch hatte seine Finanzen wieder völlig erschöpft.
Wimmernd fuhr er sich durch seine Haartolle. Er wand sich noch etwas in seinem Schmerz, bis seine Mutter mit der Spülarbeit fertig war. Sie erschien in der Küchentür und machte sich gleich daran, die herumliegenden Kleidungsstücke in einen Sack zu stopfen.
„Ich werde dir deine Sachen fertigmachen, damit du weiterarbeiten kannst“, sagte sie milde.
Robin setzte ein tapferes Lächeln auf. Er rappelte sich stöhnend hoch und nahm seine Mutter in den Arm.
„Tu’ mir den Gefallen und sauge wenigstens einmal den Teppich“, sagte sie.
Bertholds Telefon hatte geklingelt. Berthold war an diesem Tag bereits dreimal zum Hörer gehechtet, aber jedes Mal war es nicht diejenige, an die er die ganze Zeit dachte. Einmal war es Tim gewesen, der die Verabredung am heutigen Tag wegen eines verdorbenen Magens absagen musste, ein weiteres Mal war es Carmilla, seine Mutter, und dann schließlich seine Schwester Audrey. Es war jeweils das erste Mal, dass die Anrufe ihn enttäuschten, denn alle drei Menschen waren ihm sonst lieb und teuer.
Sie war es. Diesmal war sie es!
„Guten Abend. Mein Name ist Helena Schwarzkrug“, sagte eine frische junge Frauenstimme. „Ist dort Berthold Brückner?“
„J-j-ja! Genau! Hallo!“ stotterte Berthold.
„Ich rufe an, weil ich mich nochmals von Herzen bedanken wollte für alles.“
„Das brauchst du nicht“, sagte Berthold, der seinen Verstand einigermaßen wiedergefunden hatte, „ich bedaure nur, dass ich nicht schon früher gekommen war. Ich hätte womöglich das Schlimmste verhindern können. Ich hoffe nur, dass es dir wieder gut geht.“
„Ich schlafe schlecht“, sagte die Stimme. „Und ich habe noch Schmerzen. Aber es geht mir viel besser.“
„Ich hätte dich schon längst angerufen, aber man wollte mir deine Adresse nicht geben“, sagte Berthold.
„Das war eine Anordnung der Polizei. Man wollte mich wohl schützen. Aber das hat so recht nicht geklappt.“ Bei diesen Worten wurde die Stimme leiser.
„Was heißt das? Hat dich jemand bedroht?“ Berthold fühlte schon wieder diesen unbändigen Hass in sich aufsteigen.
„Ich ... ich möchte darüber nicht sprechen. Ich wollte nur nochmal danke sagen.“
„Warte!“ Berthold hatte jetzt Angst, sie zu schnell wieder zu verlieren.
„Ich würde dich gerne einmal sehen“, sagte er dann.
Stille am Ende der Leitung.
„Ich habe dich so schrecklich verletzt in Erinnerung. Ich würde gerne sehen, wie du dich erholt hast.“
„Sehr gerne!“
Es klang wirklich erfreut, so sehr sogar, dass Bertholds Herz hüpfte vor Glück.
„Ich hätte sogar heute Abend schon Zeit“, sagte Berthold.
„Das wäre sehr schön. Ich habe heute auch nichts vor.“
Es klang etwas traurig.
„Wo wohnst du? Ich komme gleich vorbei und hole dich ab. Wir könnten etwas essen gehen.“
Innerlich jubelnd notierte Berthold die Adresse, die sie bereitwillig nannte.
Komm, komm ...
wer immer du bist,
Wanderer, Götzenanbeter,
du, der du den Abschied liebst,
es spielt keine Rolle.
Dies ist keine Karawane
der Verzweiflung.
Komm, auch wenn du deinen Schwur
tausendfach gebrochen hast.
Komm, komm,
noch einmal, komm.
Jelaluddin RUMI
D arius trat aus dem Schatten. Er befand sich in einem großen, länglichen Zimmer mit hohen stuckgeschmückten Decken, auf denen Schwäne, Ornamente und Figurinen aller Art sich ein schemenhaftes
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